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BFH-Urteil vom 15.4.2010 (VI R 51/09) BStBl. 2010 II S. 794
Heimkosten des nicht pflegebedürftigen Ehegatten keine außergewöhnlichen
Belastungen
1.
Aufwendungen des nicht pflegebedürftigen Steuerpflichtigen, der mit seinem
pflegebedürftigen Ehegatten in ein Wohnstift übersiedelt, erwachsen nicht
zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG.
2.
Eine Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen ist ausgeschlossen, weil der
Umzug in das Pflegeheim auf einer freien Entschließung beruht. Eine
tatsächliche Zwangslage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG kann aber nur durch
ein unausweichliches Ereignis tatsächlicher Art begründet werden, nicht
durch eine maßgeblich vom menschlichen Willen beeinflusste Situation.
3.
Die Verpflichtung zu ehelicher Gemeinschaft gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB
begründet keine Rechtspflicht des Steuerpflichtigen i.S. des § 33 Abs. 2
Satz 1 EStG, seinen pflegebedürftigen Ehegatten in ein Pflegeheim zu
begleiten. Eine unausweichliche sittliche Verpflichtung hierzu besteht
ebenfalls nicht.
4.
Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grunde nach als außergewöhnliche
Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigt, sind sie nur insoweit gemäß §
33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG)
sowie die sog. Haushaltsersparnis übersteigen. Dies gilt selbst dann, wenn
durch die Heimunterbringung zusätzliche Kosten der Lebensführung entstanden
sind.
EStG § 33, § 33a.
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 3.
Dezember 2007 6 K 363/05
Sachverhalt
I.
1
Streitig ist, in welchem
Umfang Aufwendungen für die Unterbringung in einem Wohnstift bei Ehegatten
als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.
2
Der 1931 geborene Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist seit 1941 an Osteomyelitis erkrankt.
Insbesondere seit den 1970er Jahren wurde er deswegen von Fachärzten, auch
stationär, fortlaufend behandelt. In den 1980er und 1990er Jahren waren
starke arthrotische Veränderungen an mehreren Gelenken entstanden. Seit
Herbst 2001 ist der Kläger als Folge dieser Krankheit in die Pflegestufe 1
eingeordnet. Der Grad der Behinderung wurde ab 30. Januar 2003 auf 90
(Merkzeichen "aG") festgestellt. Im Streitjahr war der Kläger auf einen
Rollstuhl angewiesen. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war
hingegen nicht pflegebedürftig. Sie erhielt Pflegegeld für die Pflege des
Klägers.
3
Im Jahr 1991 schlossen die
Kläger einen Vorvertrag mit dem X, einem Wohnstift in Y. Im März 1999
übersiedelten die Kläger wegen der bestehenden Erkrankung des Klägers und
der sicheren Annahme, dass dieser ein Pflegefall werde, von ihrer Wohnung in
Z nach dort. Das damalige Stadium seiner Erkrankung hätte den Kläger noch
nicht zum sofortigen Übertritt in das Alten- und Pflegeheim gezwungen. Er
befürchtete jedoch eine alsbaldige drastische Verschlechterung seines
Gesundheitszustandes. Diese hätte der Aufnahme in die Einrichtung
entgegenstehen können, da die Geschäftsleitung vor Abschluss des
Heimvertrages ein ärztliches Zeugnis über den Gesundheitszustand der
zukünftigen Bewohner verlangt, aus dem hervorgeht, dass sich diese noch in
einem guten geistigen und körperlichen Zustand befinden.
4
Im Wohnstift nutzte der
Kläger das Appartement A, die Klägerin bis zum 29. Dezember 2004 das
Appartement B und ab dem 14. Dezember 2004 das Appartement C. Die
Wohnverträge enthalten Entgeltbestandteile für Wohnen (beispielsweise
wöchentliche Reinigung der Fußböden), für Verpflegung (beispielsweise ein
warmes Mittagsmenü, alternativ eine Abendmahlzeit oder ein großes Frühstück)
sowie für Betreuung (beispielsweise Krankenpflege, Notfallbereitschaft).
5
In ihrer
Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 machten die Kläger (neben dem
Grunde und der Höhe nach unstreitigen Ausgaben in Höhe von 582 EUR) weitere
Aufwendungen in Höhe von insgesamt 51.405,40 EUR als außergewöhnliche
Belastungen geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
-) anerkannte hiervon sämtliche den Kläger betreffende Aufwendungen (Wohn-,
Verpflegungs- und Betreuungskosten) und damit insgesamt einen Betrag in Höhe
von 18.132 EUR als außergewöhnliche Belastungen. Die von der Klägerin
geltend gemachten Beträge wurden lediglich teilweise als außergewöhnliche
Belastungen des Klägers angesetzt. Das FA rechnete dem Kläger ein Drittel
der Wohn- sowie Wohnnebenkosten der Klägerin zu und berücksichtigte weiteren
Aufwand in Höhe von 8.137,10 EUR nach § 33 des Einkommensteuergesetzes
(EStG). Das FA ging dabei davon aus, dass der Kläger die Wohnung der
Klägerin in diesem Umfang mitbenutzt. Insgesamt hat das FA den Kläger
betreffende Kosten in Höhe von insgesamt 26.269,10 EUR dem Grunde nach als
außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Hiervon hat das FA sodann eine
geschätzte Haushaltsersparnis in Höhe von 7.680 EUR in Abzug gebracht und
damit letztlich einen Betrag in Höhe von 19.172 EUR (18.590 EUR +
unstreitige Aufwendungen in Höhe von 582 EUR) nach § 33 EStG steuermindernd
berücksichtigt. Der auf die Unterbringung der Klägerin entfallende Anteil an
den Wohn- und Wohnnebenkosten sowie ihre Aufwendungen für Betreuung und
Verpflegung blieben unberücksichtigt. Einspruch und Klage hiergegen blieben
erfolglos.
6
Mit der Revision rügen die
Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
7
Die Kläger beantragen, das
Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 3. Dezember 20076 K
363/05 aufzuheben und den Steuerbescheid vom 11. Oktober 2005 in der Form
des letzten Änderungsbescheids vom 17. September 2007 unter Aufhebung der
Einspruchsentscheidung vom 21. November 2005 dahingehend zu ändern, dass
weitere 23.815,74 EUR als außergewöhnliche Belastungen i.S. von § 33 Abs. 1
EStG anerkannt werden.
8
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
9
Die Revision ist unbegründet und daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
10
1. Das FG hat es im Ergebnis zu Recht
abgelehnt, die streitigen Aufwendungen der Klägerin für die Unterbringung in
dem Wohnstift sowie ihre Kosten für Verpflegung und Betreuung in Höhe von
insgesamt 23.815,74 EUR als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu
berücksichtigen (2.). Ebenfalls zutreffend hat es die Unterbringungs- und
Verpflegungskosten des Klägers um die Haushaltsersparnis gekürzt (3.).
11
a) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die
Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen
zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der
Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher
Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen
(außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur
ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des
Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe
des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem
Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 18.
April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; vom 10. Mai 2007
III R 39/05, BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764, und vom 25. Juli 2007 III R
64/06, BFH/NV 2008, 200).
12
aa) Zu den üblichen Aufwendungen der
Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte
Unterbringung in einem Altenheim. Dagegen sind Aufwendungen für die Pflege
eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen ebenso wie Krankheitskosten eine
außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG aus tatsächlichen Gründen
(Senatsurteil vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010,
280). Ist der Steuerpflichtige in einem Altenheim untergebracht, sind die
tatsächlich angefallenen Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung
abziehbar, wenn sie von den - zu den Kosten der üblichen Lebensführung
rechnenden - Kosten für die Unterbringung abgrenzbar sind.
13
bb) Ausnahmsweise sind nach der bisherigen
Rechtsprechung auch die Unterbringungskosten bzw. das Pauschalentgelt -
abzüglich einer Haushaltsersparnis - als außergewöhnliche Belastung zu
berücksichtigen, wenn die Unterbringung in einem Altenheim ausschließlich
durch eine Krankheit veranlasst ist, weil der Betroffene infolge einer
Krankheit pflegebedürftig geworden ist, nicht dagegen, wenn der
Steuerpflichtige erst während des Aufenthalts erkrankt ist (vgl. BFH-Urteil
in BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70). Abweichend hiervon lässt die
Finanzverwaltung - wie im Streitfall - derartige Aufwendungen auch dann zum
Abzug zu, wenn die krankheitsbedingte Pflegebedürftigkeit erst nach dem
Einzug in das Altenheim eintritt, jedoch nur, wenn mindestens ein
Schweregrad der Pflegebedürftigkeit i.S. der §§ 14, 15 des Elften Buches
Sozialgesetzbuch festgestellt ist (vgl. Nichtanwendungserlass vom 20. Januar
2003, BStBl I 2003, 89).
14
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das
FG die streitigen Aufwendungen der Klägerin zu Recht nicht als
außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zum Abzug zugelassen. Der Klägerin
sind durch die geltend gemachten Aufwendungen für Unterbringung, Verpflegung
und Betreuung keine steuerlich zu berücksichtigenden außergewöhnlichen
Belastungen entstanden.
15
a) Insbesondere sind ihr die Kosten ihrer
Unterbringung nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Die
Klägerin ist nach den Feststellungen des FG weder pflegebedürftig noch hält
sie sich krankheitsbedingt im Wohnstift auf. An diese Feststellungen ist der
erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.
16
Die von den Klägern insoweit erhobenen
Verfahrensrügen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) genügen nicht den gesetzlichen
Anforderungen (umfassend hierzu z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6.
Aufl., § 116 Rz 48 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz 58 ff.). Sie haben bereits nicht
schlüssig dargelegt, dass das FG seine Pflicht zur Aufklärung des
Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch die Nichtvernehmung der Zeugin V
verletzt habe. Die Kläger verkennen insbesondere, dass diese Rüge zu den
verzichtbaren Verfahrensrügen gehört (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der
Zivilprozessordnung). Deshalb erfordert eine ordnungsgemäße Rüge dieser
Verfahrensmängel auch den Vortrag, dass die Verletzung der betreffenden
Verfahrensvorschrift in der Vorinstanz gerügt wurde, sofern sich die Rüge
nicht schon aus dem angegriffenen Urteil ergibt (ständige Rechtsprechung,
vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Oktober 2008 VIII B 20-22/08, BFH/NV 2009,
183; vom 16. Juli 2008 X B 202/07, BFH/NV 2008, 1681; vom 9.
September 2005 I B 40/05, BFH/NV 2006, 101; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz
103). Entsprechende Darlegungen
fehlen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Kläger das Übergehen
ihres schriftsätzlich gestellten Beweisantrags gerügt haben. Aus dem
Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom 3. Dezember 2007 ergibt
sich jedenfalls nichts Einschlägiges. Im Übrigen hatte der Beweisantrag der
Kläger vom 3. Dezember 2007 lediglich zum Ziel, festzustellen, dass die
Klägerin bereits vor dem Einzug in das Wohnstift an Osteoporose erkrankt
war, nicht aber, dass der Aufenthalt der Klägerin dort ausschließlich dieser
Krankheit geschuldet sei.
17
Daher kann der Senat offenlassen, ob die
Kosten einer Heimunterbringung - abweichend von der bisherigen
Rechtsprechung - auch dann zu berücksichtigen sind, wenn ein
Steuerpflichtiger erst nach dem Umzug in das Altenheim krank und
pflegebedürftig geworden ist. Für eine Berücksichtigung unter Anrechnung
einer Haushaltsersparnis könnte sprechen, dass auch bei nachträglich
eintretender Pflegebedürftigkeit der weitere Heimaufenthalt aus
tatsächlichen Gründen als zwangsläufig anzusehen sein könnte. Dahinstehen
kann ferner, ob und ggf. ab welcher Pflegestufe die Kosten für die
Unterbringung eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen in einem Altenheim
aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstanden sind.
18
b) Schließlich sind die geltend gemachten
Aufwendungen der Klägerin auch nicht deshalb tatsächlich zwangsläufig
erwachsen, weil sich der Kläger aus Krankheitsgründen in dem Pflegeheim
aufhält. Für diesen vermag sich der Aufenthalt im Pflegeheim mittlerweile
als krankheitsbedingtes unabwendbares Ereignis darstellen. Der Umstand, dass
die Klägerin dem Kläger in das Wohnstift gefolgt ist, beruht jedoch nicht
auf einem solchen unabwendbaren Ereignis, sondern auf einem freien
Willensentschluss. Eine tatsächliche Zwangslage i.S. des § 33 Abs. 1 EStG
kann aber nur durch ein unausweichliches Ereignis tatsächlicher Art
begründet werden, nicht durch eine maßgeblich vom menschlichen Willen
beeinflusste Situation (vgl. BFH-Urteil vom 18. April 1990 III R 126/86,
BFHE 160, 516, BStBl II 1990, 738, sowie Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach,
§ 33 EStG Rz 189).
19
c) Die streitigen Wohn- und Wohnnebenkosten
sowie die Kosten für Verpflegung und Betreuung im Wohnstift sind der
Klägerin auch nicht aus rechtlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig
entstanden.
20
aa) Eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen
Gründen ist nur zu bejahen, wenn die Aufwendungen aufgrund unmittelbar aus
dem Gesetz folgender Verpflichtungen geleistet werden (BFH-Urteil vom 18.
Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745). Eine gesetzliche
Pflicht der Klägerin, den Kläger in das Wohnstift zu begleiten und nach dort
zu übersiedeln, ist nicht ersichtlich.
21
Insbesondere begründet § 1353 Abs. 1 Satz 2
des Bürgerlichen Gesetzbuchs keine solche Verpflichtung. Nach dieser
Vorschrift sind die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft
verpflichtet. Eine Pflicht zum räumlichen Zusammenleben folgt daraus jedoch
nicht. Zwar gilt als Grundelement der ehelichen Lebensgemeinschaft
regelmäßig das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft. Anders ist es aber,
wenn die Lebensverhältnisse entgegenstehen oder im gegenseitigen
Einvernehmen eine abweichende Lebensgestaltung vereinbart ist
(Palandt/Brudermüller, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 1353 Rz 6;
Soergel-Lange, BGB, 12. Aufl., § 1353 Rz 8). Deshalb heben beispielsweise
Haft oder ein längerer Aufenthalt in einer Klinik die eheliche
Lebensgemeinschaft nicht auf (MünchKommBGB/Roth, 5. Aufl., § 1353 Rz 34).
Dies gilt selbst dann, wenn ein Ehegatte aller Voraussicht nach dauerhaft in
einem Heim lebt (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. November 2001 XII ZR
247/00, BGHZ 149, 140 <144>).
22
bb) Ein die Zwangsläufigkeit begründendes
sittliches Gebot ist ebenfalls nicht erkennbar. Ein solches ist nur dann
anzunehmen, wenn nach dem Urteil der Mehrzahl billig und gerecht denkender
Mitbürger ein Steuerpflichtiger sich zu einem solchen Umzug verpflichtet
sehen kann. Sittlich zu billigende oder besonders anerkennenswerte Gründe
allein genügen deshalb nicht. Es reicht vor allem nicht aus, dass ein
gemeinsames Übersiedeln in das Wohnstift menschlich verständlich ist. Die
sittlichen Motive müssen vielmehr so stark sein, dass eine andere
Entscheidung kaum möglich erscheint, d.h. der Steuerpflichtige muss bei
einem Zuwiderhandeln nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor seinen
Mitbürgern als "unsittlich" oder "unanständig" gelten. Es ist daher darauf
abzustellen, ob die Unterlassung der zu beurteilenden Handlung "Nachteile im
Sinne von Sanktionen im sittlich-moralischen Bereich oder auf
gesellschaftlicher Ebene" zur Folge haben kann, ob das Unterlassen also als
moralisch anstößig empfunden wird.
23
Dementsprechend setzt nach der
Rechtsprechung die Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen voraus, dass die
Sittenordnung das Handeln "erfordert" (BFH-Urteil vom 26. Mai 1971 VI R
271/68, BFHE 102, 389, BStBl II 1971, 628). Infolgedessen ist eine
Zwangsläufigkeit nicht schon gegeben, wenn sich der Steuerpflichtige
subjektiv verpflichtet fühlt; auch ist nicht jede aus sittlichen Gründen
verständliche Unterstützung Dritter zwangsläufig. Vorausgesetzt wird
vielmehr, dass der Steuerpflichtige keine Möglichkeit hatte, den
Aufwendungen auszuweichen, sich ihnen zu entziehen (BFH-Urteil vom 24. Juli
1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBl II 1987, 715, mit Hinweis auf
BFH-Urteil vom 18. November 1977 VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl II 1978,
147). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Zwangsläufigkeit aus
sittlichen Gründen nur anzunehmen, wenn die sittliche Verpflichtung so
unabdingbar ist, dass sie einer Rechtspflicht gleichkommt (beispielsweise
BFH-Urteile vom 27. Februar 1987 III R 209/81, BFHE 149, 240, BStBl II 1987,
432; vom 30. Oktober 2003 III R 23/02, BFHE 204, 113, BStBl II 2004, 267;
vom 12. Dezember 2002 III R 25/01, BFHE 201, 188, BStBl II 2003, 299, und
vom 23. Oktober 2002 III R 57/99, BFHE 201, 31, BStBl II 2003, 187).
24
Diese Voraussetzung ist im vorliegenden
Fall nicht gegeben. Zwar ist es verständlich, dass sich die Klägerin
entschieden hat, mit ihrem Ehemann in das Wohnstift zu übersiedeln. Sittlich
verpflichtet hierzu war sie indessen nicht. Nach Auffassung des erkennenden
Senats erwartet die Gesellschaft nicht unausweichlich, dass ein "gesunder"
Ehegatte den bisher gemeinsam geführten Hausstand aufgibt und seinen kranken
bzw. pflegebedürftigen Ehepartner in ein Alters- oder Pflegeheim begleitet.
25
d) Eine gegen Art. 6 Abs. 1 des
Grundgesetzes verstoßende Benachteiligung der Eheleute liegt darin -
entgegen der Auffassung der Kläger - nicht. Das FG hat zutreffend dargelegt,
dass die Versagung des Abzugs der geltend gemachten Wohn- und
Lebenshaltungskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht auf der Ehe der
Klägerin, sondern vielmehr auf dem Umstand gründet, dass das FA die
Aufwendungen zu Recht nicht unter den Tatbestand des § 33 Abs. 1 EStG zu
subsumieren vermochte.
26
3. Ebenfalls zutreffend hat das FG die als
außergewöhnliche Belastungen dem Grunde nach anerkannten Unterbringungs-,
Verpflegungs- und Betreuungskosten des Klägers um die Haushaltsersparnis
gekürzt.
27
Werden Kosten einer Heimunterbringung dem
Grunde nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten)
berücksichtigt, sind sie nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als
sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) sowie die sog.
Haushaltsersparnis übersteigen. Nur in dieser Höhe entstehen dem
Steuerpflichtigen hierdurch gegenüber seiner bisherigen Lebensführung
zusätzliche Kosten. Entsprechend sind Unterbringungskosten um eine
Haushaltsersparnis, die der Höhe nach den ersparten Verpflegungs- und
Unterbringungskosten entspricht, zu kürzen (BFH-Urteile in BFHE 199, 135,
BStBl II 2003, 70, und vom 10. August 1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231).
28
Von der Berücksichtigung einer
Haushaltsersparnis ist nach Auffassung des Senats nur dann abzusehen, wenn
dem Steuerpflichtigen nur vorübergehend, etwa anlässlich eines
Sanatoriumsaufenthaltes im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung,
ausschließlich krankheitsbedingte Unterbringungskosten entstehen. Denn dem
Steuerpflichtigen kann dann nicht zugemutet werden, seine Wohnung aufzugeben
(so auch BFH-Urteil vom 22. August 1980 VI R 138/77, BFHE 131, 381, BStBl II
1981, 23).
29
Aufwendungen für eine krankheitsbedingte
Unterbringung in einem Pflegeheim sind nur dann nicht um eine
Haushaltsersparnis zu kürzen, solange der Pflegebedürftige seinen normalen
Haushalt beibehält. Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist die Tatsache,
dass der Steuerpflichtige in einem solchen Fall trotz der Unterbringung in
einem Pflegeheim mit den Fixkosten des Hausstandes wie Miete oder
Zinsaufwendungen, Grundgebühr für Strom, Wasser etc. sowie Reinigungskosten
belastet bleibt. Hieran ändert nichts, dass die frühere Wohnung eines
Pflegebedürftigen von dessen Ehegatten weiter bewohnt wird. Auch in einem
solchen Fall entstehen durch die dann zu große Wohnung bedingte Fixkosten,
die den Abzug einer Haushaltsersparnis von den als außergewöhnliche
Belastung anzuerkennenden Kosten einer Pflegeheimunterbringung als nicht
gerechtfertigt erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 231).
30
Im Streitfall haben die Kläger jedoch ihren
ursprünglich gemeinsamen Haushalt aufgegeben, so dass eine Kürzung um die
Haushaltsersparnis geboten ist. Der Senat verkennt dabei nicht, dass durch
den im Pflegeheim neu begründeten gemeinsamen Haushalt auch dem Kläger neben
den ihn betreffenden Pflegeheimkosten zusätzliche Kosten der Lebensführung
entstanden sind, die einer Vorteilsanrechnung entgegenstehen können.
Gleichwohl ist vorliegend der Ansatz einer Haushaltsersparnis
gerechtfertigt, da das FA den auf den Kläger entfallenden Anteil an den
Fixkosten dieses Hausstandes als außergewöhnliche Belastungen in Abzug
gebracht hat. Der von den Klägern begehrte Verzicht auf die Kürzung um die
Haushaltsersparnis würde damit eine ungerechtfertigte Doppelbegünstigung
bewirken. Dem steht nicht entgegen, dass das FA die Unterbringungs- und
Verpflegungskosten der Klägerin nicht als außergewöhnliche Belastungen
anerkannt hat. Eine Haushaltsersparnis ist schon dann gerechtfertigt, wenn
nur der Kläger entsprechende Lebenshaltungskosten erspart.
31
Die Haushaltsersparnis des Klägers schätzt
der Senat entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag
für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen auf 7.680 EUR (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764; FG München, Urteil vom 5.
November 200815 K 2814/07, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2009,
309; FG Köln, Urteil vom 28. April 20098 K 1337/08, EFG 2010, 479; R 188
Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 2003). Soweit die Kläger
hiergegen einwenden, dass ihnen durch den Umzug Mehr- und nicht
Wenigerkosten entstanden sind, verkennen sie, dass die Haushaltsersparnis
(des Klägers) durch einen Vergleich der Pflegeheimkosten mit den Kosten
eines entsprechenden privaten Haushalts und nicht durch einen Vergleich mit
den Kosten eines Altenheims zu ermitteln ist (BFH-Urteil in BFHE 131, 381,
BStBl II 1981, 23).
32
4. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht
nicht mehr streitig, dass den Klägern im Streitfall die Pauschbeträge nach §
33a Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. bis Veranlagungszeitraum 2008 nicht zu
gewähren sind. Das FA hat die Pflegekosten des Klägers sowie seine Kosten
für Unterbringung und Verpflegung zum Abzug nach § 33 EStG zugelassen. In
einem solchen Fall ist die Gewährung des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3
Satz 2 Nr. 2 EStG ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2002 III R
80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294). Der Klägerin hat das FA anstelle
des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 EStG eine Steuerermäßigung für
die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 EStG
ausgehend von Aufwendungen in Höhe von 3.000 EUR zugesprochen. Die daraus
resultierende Steuerermäßigung in Höhe von 600 EUR wirkt sich für die
Klägerin günstiger als der Abzug des Pauschbetrags vom Gesamtbetrag der
Einkünfte nach § 33a Abs. 3 EStG aus. Sie ist deshalb durch die angefochtene
Steuerfestsetzung insoweit nicht beschwert.
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