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BFH-Urteil vom 20.5.2010 (VI R 41/09) BStBl. 2010 II S. 1022
Gebührenverzicht zugunsten von Mitarbeitern eines Vertriebspartners kein
Arbeitslohn
1.
Der Umstand, dass eine Bausparkasse sowohl bei Arbeitnehmern ihrer
"Partnerbanken" als auch bei ihren freien Handelsvertretern und deren
Arbeitnehmern sowie den Beschäftigten anderer genossenschaftlich
organisierter Unternehmen und Kooperationspartner auf die Erhebung von
Abschlussgebühren verzichtet, begründet Zweifel daran, ob dieser
Gebührenvorteil Arbeitslohn ist.
2.
Gelangt das FG aufgrund einer verfahrensfehlerfreien Gesamtwürdigung zu dem
Ergebnis, dass Zweifel bestehen, ob Arbeitnehmern im Zusammenhang mit einem
geldwerten Vorteil Arbeitslohn zugeflossen ist, ist der BFH nach § 118 Abs.
2 FGO an diese Tatsachenfeststellung gebunden.
EStG § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 38 Abs. 3
Satz 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; LStDV § 2 Abs. 1 Satz 2; FGO § 118 Abs. 2,
§ 96 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 286 Abs. 1.
Vorinstanz: FG München vom 26. Juni 2009 8 K
307/07 (EFG 2009, 1749)
Sachverhalt
I.
1
Streitig ist, ob die Klägerin
und Revisionsbeklagte (Klägerin) in Fällen, in denen die Bausparkasse B im
Jahr 2004 bei Mitarbeitern der Klägerin auf die sonst üblichen Gebühren für
den Abschluss von Bausparverträgen verzichtet hat, zum Lohnsteuerabzug
verpflichtet war.
2
Die Klägerin ist eine Bank im
...-Verbund, dem auch die B angehört. Sie ist aber nicht in den Konzern der
Y-AG, zu dem die B gehört, einbezogen. Die Klägerin vermittelt u.a. den
Abschluss von Bausparverträgen ihres Verbundpartners B an ihre Kunden und
erhält hierfür eine Provision in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der von
der B erhobenen Abschlussgebühr. Schließen Arbeitnehmer der Klägerin oder
deren Ehegatten bzw. Kinder eigene Bausparverträge bei der B ab, verzichtet
die Bausparkasse ganz oder teilweise auf diese sonst übliche
Abschlussgebühr. Die Klägerin erhält in solchen Fällen keine
Vermittlungsprovision. Eine von der Bausparkasse erstellte Gesamtjahresliste
über die im Streitjahr von Arbeitnehmern der Klägerin abgeschlossenen
gebührenfreien bzw. -ermäßigten Verträge wurde der Klägerin im Januar 2005
übersandt. Die Klägerin hat die ihren Mitarbeitern von der B gewährten
Vorteile aus den Gebührenermäßigungen bzw. -befreiungen im Streitjahr 2004
nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Im Anschluss an eine
Lohnsteuer-Außenprüfung beurteilte der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA -) die geldwerten Vorteile aus dem Verzicht der B auf die
Abschlussgebühren als Arbeitslohn, pauschalierte die nachzufordernde
Lohnsteuer und erließ unter dem Datum 20. Dezember 2006 einen entsprechenden
Nachforderungsbescheid. Daraufhin hat die Klägerin mit Zustimmung des FA
Sprungklage erhoben, der das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen
der Finanzgerichte 2009, 1749 veröffentlichten Gründen stattgab.
3
Mit der Revision rügt das FA
die Verletzung materiellen Rechts.
4
Es beantragt, das Urteil des FG
München vom 26. Juni 20098 K 307/07 aufzuheben.
5
Die Klägerin beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
6
Die Revision des FA ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das
FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin wegen der Vorteile ihrer
Arbeitnehmer aus dem Verzicht auf die streitigen Abschlussgebühren nicht zum
Lohnsteuerabzug verpflichtet war.
7
1. Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer für
Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn
einzubehalten und abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).
8
a) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG - neben Gehältern und
Löhnen - auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im
öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dabei ist gleichgültig, ob
ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG) oder unter
welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz
2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr geltenden
Fassung).
9
b) Nach ständiger Rechtsprechung (z.B.
Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Mai 2001 VI R 159/99, BFHE 195,
364, BStBl II 2001, 815; vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl
II 1985, 529; vom 11. Dezember 2008 VI R 9/05, BFHE 224, 70, BStBl II 2009,
385, und vom 30. Juli 2009 VI R 54/08, BFH/NV 2010,
10
c) Arbeitslohn kann auch bei der Zuwendung
eines Dritten anzunehmen sein, wenn diese ein Entgelt "für" eine Leistung
bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen
Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist,
dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den
Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht
(z.B. BFH-Urteile vom 24. Februar 1981 VIII R 109/76, BFHE 133, 375, BStBl
II 1981, 707; vom 5. Juli 1996 VI R 10/96, BFHE 180, 441, BStBl II 1996,
545; vom 19. August 2004 VI R 33/97, BFHE 207, 230, BStBl II 2004, 1076; vom
10. Mai 2006 IX R 82/98, BFHE 213, 487, BStBl II 2006, 669; bestätigt u.a.
durch BFH-Urteile vom 19. Juni 2008 VI R 4/05, BFHE 222, 353, BStBl II 2008,
826, und vom 20. November 2008 VI R 25/05, BFHE 223, 419, BStBl II 2009,
382; vom 18. Dezember 2008 VI R 8/06, BFH/NV 2009, 382, und VI R 49/06, BFHE
224, 103, BStBl II 2009, 820; Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG
Rz
11
d) Die Beantwortung der Frage, ob eine
Zuwendung durch das Dienstverhältnis veranlasst ist, obliegt in erster Linie
der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Denn ob ein Leistungsaustausch
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart
oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, kann nur
aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles
entschieden werden (BFH-Urteile vom 1. Februar 2007 VI R 72/05, BFH/NV 2007,
898, und in BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382; BFH-Beschluss vom 28. Juni
2007 VI B 23/07, BFH/NV 2007, 1870; Küttner/Thomas, Personalbuch 2010,
Stichwort Arbeitsentgelt, Rz 59 ff.).
12
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG eine
Gesamtwürdigung vorgenommen. Es ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass
Zweifel bestehen, ob den Arbeitnehmern der Klägerin im Zusammenhang mit dem
streitgegenständlichen Gebührenvorteil Arbeitslohn zugeflossen ist. Diesen
Ausführungen ist zu entnehmen, dass die Vorinstanz nicht mit der
erforderlichen Gewissheit zu der Überzeugung gelangt ist, dass zwischen der
Vorteilsgewährung und der Arbeitsleistung für die Klägerin ein hinreichender
Veranlassungszusammenhang besteht. Dies ist eine Tatsachenfeststellung, an
die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist. Das FA hat dagegen keine
zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht.
13
a) Zur Überzeugungsbildung i.S. des § 96
Abs. 1 Satz 1 FGO ist (wie nach § 286 Abs. 1 der Zivilprozessordnung)
erforderlich, dass der Tatrichter ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln
und nur seinem persönlichen Gewissen unterworfen persönliche Gewissheit in
einem Maße erlangt, dass er an sich mögliche Zweifel überwindet und sich von
einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann, wobei der Richter
nicht eine von allen Zweifeln freie Überzeugung anstreben darf, sich in
tatsächlich zweifelhaften Fällen vielmehr mit einem für das praktische Leben
brauchbaren Grad von Gewissheit überzeugen muss (vgl. BFH-Urteil vom 24.
März 1987 VII R 155/85, BFH/NV 1987,
14
Ausweislich der Urteilsgründe hat sich das
FG - durch die schriftlichen Äußerungen des Zeugen W, der den Sachvortrag
der Klägerin bestätigt hat - eine eigene Überzeugung gebildet, die den
vorgenannten Anforderungen entspricht. Insbesondere können die Ausführungen
der Vorinstanz, dass es die Frage, ob der Gebührenvorteil im Streitfall zu
Arbeitslohn geführt habe, nicht abschließend entscheiden müsse, nicht so
verstanden werden, dass es an einer Überzeugungsbildung fehle. Der
erkennende Senat versteht diese Aussage vielmehr dahin, dass das FG bei
seiner Überzeugungsbildung zwar den für das praktische Leben brauchbaren
Grad an Gewissheit angestrebt, aber nicht erlangt hat.
15
b) Seine Zweifel konnte das FG zum einen auf
die - durch den Zeugen W gewonnene - Feststellung stützen, dass die
Beweggründe für den Gebührenverzicht im Rechtsverhältnis der Beteiligten des
Bausparvertrags liegen, und diese als einen gegen den
Veranlassungszusammenhang von Vorteilsgewährung und Arbeitsleistung
sprechenden Umstand würdigen. Zum anderen durfte es aus der ebenfalls vom
Zeugen W vermittelten Erkenntnis, dass der Gebührenvorteil allen
Arbeitnehmern im Unternehmen, unabhängig davon, ob sie mit der Vermittlung
von Bausparverträgen befasst sind, gewährt werde und deshalb viel dafür
spreche, dass der Gebührenvorteil nicht als Frucht der Arbeit, sondern als
genereller Preisnachlass von den betroffenen Arbeitnehmern angesehen werde,
Zweifel schöpfen.
16
c) Diese Überzeugungsbildung des FG ist auch
insoweit ohne Rechtsfehler, als die Vorinstanz nicht von einer angemessenen
Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts abgesehen hat. Das FG hat sich
weder hinsichtlich des konkreten Sachverhalts unwissend gehalten noch suchte
es verbleibende Unsicherheiten mit dem Mittel der freien Überzeugungsbildung
zu überwinden. Es hat sich vielmehr durch die Einholung der schriftlichen
Stellungnahme des Zeugen W erschöpfend um die Aufklärung des Sachverhalts
bemüht und dies in den Urteilsgründen ausführlich dargelegt. Eine weitere
Aufklärung des Sachverhalts hat sich im Streitfall nicht aufgedrängt und ist
im Übrigen von den Beteiligten auch nicht angeregt worden.
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Damit hat das FG den angefochtenen
Nachforderungsbescheid rechtsfehlerfrei in dem streitgegenständlichen Umfang
abgeändert. Damit ist die Revision des FA zurückzuweisen.
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