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BFH-Urteil vom 22.9.2009
(IX R 93/07) BStBl. 2010 II S. 1032
Zusammentreffen von
außerordentlichen Einkünften und dem Progressionsvorbehalt unterliegenden
Einkünften
Hat der Steuerpflichtige
neben außerordentlichen Einkünften i.S. von § 34 Abs. 2 EStG auch
steuerfreie Einnahmen i.S. von § 32b Abs. 1 EStG bezogen, so sind diese in
der Weise in die Berechnung nach § 34 Abs. 1 EStG einzubeziehen, dass sie in
voller Höhe dem verbleibenden zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet
werden (Anschluss an BFH-Urteil vom 17. Januar 2008 VI R 44/07, BFHE 220,
269).
EStG § 34 Abs. 1 Satz 2,
Abs. 2 Nr. 2, § 32b Abs. 2.
Vorinstanz: FG München vom
25. Oktober 2007 5 K 2582/07 (EFG 2008, 613)
Sachverhalt
I.
Die Kläger,
Revisionsbeklagten und Anschlussrevisionskläger (Kläger) sind im Streitjahr
2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Der Kläger erzielte
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, in denen eine Entschädigung in Höhe
von 56.526 € enthalten war, welche unstreitig die Voraussetzungen des § 34
Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitfall geltenden
Fassung erfüllt. Daneben bezog er gemäß § 3 Nr. 28 EStG steuerfreie
Aufstockungsbeträge nach dem Altersteilzeitgesetz in Höhe von 3.951 €, die
dem Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG unterlagen. Der
Beklagte, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
-) setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 8.900 € fest. Dabei
wurden im Rahmen der Berechnung der Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 Satz 2
EStG neben den außerordentlichen Einkünften des Klägers auch dessen
steuerfreie Einnahmen in der Weise einbezogen, dass sie zur Ermittlung des
Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 EStG jeweils in voller Höhe zum verbleibenden
zu versteuernden Einkommen addiert wurden. Der gegen den angewendeten
Steuersatz gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab
der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 613
veröffentlichten Urteil statt, indem es im Rahmen der Anwendung des § 34
Abs. 1 Satz 2 EStG die steuerfreien Einnahmen bei der Ermittlung des
Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 EStG nur zu 1/5 dem verbleibenden zu
versteuernden Einkommen zuzüglich 1/5 der Einkünfte i.S. von § 34 EStG
hinzurechnete und für das Streitjahr lediglich eine Einkommensteuer in Höhe
von 6.605 € festsetzte.
Mit der hiergegen
gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Die vom
FA vorgenommene Berechnung berücksichtige anders als die des FG den Umstand,
dass die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden steuerfreien Einnahmen die
Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auch bei einem Zusammentreffen mit
außerordentlichen Einkünften nicht nur teilweise, sondern im vollen Umfang
erhöhe.
Das FA beantragt, das Urteil
des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die
Revision des FA zurückzuweisen.
Ferner haben die Kläger
Anschlussrevision erhoben und beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und
die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2002 unter Abänderung des
Einkommensteuerbescheids vom 7. März 2003 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 26. Januar 2004 auf 4.338 € und den
Solidaritätszuschlag auf 238,59 € festzusetzen.
Sie begründen dies damit,
dass der für außerordentliche Einkünfte gewährte Progressionsvorteil auch
hinsichtlich der Einkünfte i.S. von § 32b EStG zu gewähren sei.
Wegen der Verspätung ihrer
am 6. Februar 2008 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen
Anschlussrevision haben die Kläger mit Schriftsatz vom 14. Februar 2008
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und diese damit begründet,
dass im Dezember 2007 beim Prozessbevollmächtigten der Kläger ein
Personalwechsel erforderlich gewesen sei. Die Mitarbeiterin, die in der
Vergangenheit für den Posteingang zuständig gewesen sei, sei ab 7. Dezember
2007 nicht mehr zur Arbeit erschienen. Im Dezember sei beim
Prozessbevollmächtigten eine Aushilfskraft beschäftigt gewesen. Hinzu komme,
dass im Dezember eine erst Mitte November erkennbare Software- und
Hardwareumstellung erforderlich geworden sei, die über den Personalwechsel
hinaus zu erheblichen organisatorischen Problemen geführt habe. Mit der EDV
habe im maßgeblichen Zeitraum nur sehr eingeschränkt gearbeitet werden
können. Die permanente Anwesenheit der Installationsfirma habe zu
Einschränkungen im Kanzleiablauf geführt. Aus nicht mehr nachvollziehbaren
Gründen sei dann die Revisionsbegründungsfrist für die Anschlussrevision
versehentlich durch die angelernte Mitarbeiterin mit der Frist für die
Stellungnahme zur Revisionsbegründung gleichgesetzt worden. Dem
Prozessbevollmächtigten sei es aufgrund der Einschränkungen innerhalb der
Kanzlei im Dezember 2007 nicht möglich gewesen, sämtliche Vorgänge und
Fristen im maßgeblichen Zeitraum zu kontrollieren, zumal auch nach dem
11. Dezember 2007 die Hardware nicht richtig funktioniert habe.
Das FA beantragt, die
Anschlussrevision wegen Verfristung als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO
-). Zu Unrecht hat das FG bei der Anwendung von § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG die
steuerfreien Einnahmen des Klägers bei der Ermittlung des Steuersatzes nach
§ 32b Abs. 2 EStG nur zu 1/5 dem verbleibenden zu versteuernden Einkommen
hinzugerechnet.
1. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1
EStG ist die Einkommensteuer auf die im zu versteuernden Einkommen
enthaltenen außerordentlichen Einkünfte nach der sog. Fünftelregelung zu
berechnen. Gemäß § 32b EStG ist das zu versteuernde Einkommen mit einem
besonderen Steuersatz zu versteuern, der sich für das zu versteuernde
Einkommen zuzüglich bestimmter steuerfreier Einkünfte ergibt.
a) Der Kläger hat im
Streitjahr unstreitig eine Entschädigung in Höhe von 56.526 € erhalten,
welche gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern ist.
Die auf die außerordentlichen
Einkünfte entfallende Einkommensteuer beträgt nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG
das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das
um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu
versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu
versteuernde Einkommen zuzüglich 1/5 dieser Einkünfte.
b) Die im Streitjahr an den
Kläger gezahlten Aufstockungsbeträge sind nach dem Altersteilzeitgesetz in
Höhe von 3.951 € gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG im Rahmen des
Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.
aa) Der Progressionsvorbehalt
nach § 32b EStG ist grundsätzlich neben der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1
EStG anwendbar (BFH-Urteil vom 15. November 2007 VI R 66/03, BFHE 219, 313,
BStBl II 2008, 375). § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG verweist durch die Bezugnahme
auf "die Einkommensteuer", die auf das verbleibende zu versteuernde
Einkommen entfällt, auf die Tarifvorschriften des Einkommensteuergesetzes,
zu denen auch § 32b EStG gehört. § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG schreibt damit eine
integrierte Steuerberechnung vor (BFH-Urteil vom 17. Januar 2008 VI R 44/07,
BFHE 220, 269, BFH/NV 2008, 666, unter II. 2. c aa). Die sog. additive
Methode (dazu FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. März 2007
8 K 172/03, EFG 2007, 1947; Siegel, Finanz-Rundschau - FR - 2008, 389;
Siegel/ Diller, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2008, 178, m.w.N.; Siegel,
Zeitschrift für Steuern & Recht - ZSteu - 2009, Seite 255) findet im Gesetz
keine Grundlage (BFH-Urteile in BFHE 220, 269, BFH/NV 2008, 666; in BFHE
219, 313, BStBl II 2008, 375, m.w.N.). Aus dem systematischen Zusammenhang
des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG zu § 32b EStG folgt - ebenso wie aus dem
systematischen Zusammenhang von § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG zu § 32b EStG (dazu
BFH-Urteil in BFHE 220, 269, BFH/NV 2008, 666) -, dass sich die im Rahmen
der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG durchzuführende Fünftelung
nur auf die außerordentlichen Einkünfte (Satz 2) bzw. das zu versteuernde
Einkommen (Satz 3) bezieht, nicht aber auf die dem Progressionsvorbehalt
unterliegenden Einkünfte nach § 32b EStG. Diese sind vielmehr erst bei der
Ermittlung der nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG maßgebenden
Einkommensteuerbeträge zu berücksichtigen. Die vom FG vertretene Auffassung,
dass bei der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG auch die dem
Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte im Rahmen des
Progressionsvorbehalts nur zu 1/5 zu berücksichtigen seien, ist mit dem
Gesetz nicht vereinbar (BFH-Urteil in BFHE 220, 269, BFH/NV 2008, 660, unter
II. 2. c aa).
bb) Nach dem Wortlaut des
§ 32b EStG ist auch bei der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG
der besondere Steuersatz i.S. des § 32b Abs. 2 EStG gemäß § 32b Abs. 1 EStG
auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen anzuwenden.
Die volle Berücksichtigung
der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte bei der
Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG läuft auch dem Zweck des
Progressionsvorbehalts nach § 32b EStG nicht zuwider. Mit dem
Progressionsvorbehalt soll eine Steuerentlastung verhindert werden, die sich
daraus ergibt, dass aufgrund des progressiven Tarifverlaufs auf das zu
versteuernde Einkommen infolge der Steuerfreiheit der dem
Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte ein niedrigerer Steuersatz
anzuwenden wäre als bei einer Steuerpflicht dieser Einkünfte (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 220, 269, BFH/NV 2008, 666, unter II. 2. c bb, m.w.N.).
Die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte werden daher bei der
Ermittlung des für das zu versteuernde Einkommen maßgeblichen Steuersatzes,
nicht aber in das zu versteuernde Einkommen selbst einbezogen.
So darf die Anwendung des
§ 32b EStG auch nicht zu einer höheren Steuerbelastung führen als bei einer
Steuerpflicht der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte. Dies
wäre dann der Fall, wenn die außerordentlichen Einkünfte das zu versteuernde
Einkommen deutlich überstiegen, so dass § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG anzuwenden
wäre (BFH-Urteil in BFHE 220, 269, BFH/NV 2008, 666, unter II. 2. c bb,
m.w.N.). Deshalb hat der BFH bei der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1
Satz 3 EStG in teleologischer Reduktion der Norm die dem
Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte im Rahmen des § 32b EStG nur
insoweit berücksichtigt, als sich nach einer Verrechnung mit dem negativen
verbleibenden zu versteuernden Einkommen ein positiver Betrag ergibt. Dieses
Problem stellt sich im Rahmen von § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG jedoch nicht, da
das verbleibende zu versteuernde Einkommen positiv ist. Zwar entfalten der
steuererhöhende Progressionsvorbehalt und die steuermindernde
Fünftelregelung bei der Berechnung der Einkommensteuer gegenläufige Wirkung
(BFH-Urteil in BFHE 219, 313, BStBl II 2008, 375, unter II. 4. b cc). Jedoch
reduziert die Fünftelregelung in den Fällen des § 34 Abs. 2 EStG die unter
Anwendung des Progressionsvorbehalts errechnete Steuer, soweit nicht das
verbleibende zu versteuernde Einkommen schon im obersten Tarifbereich liegt.
cc) Die vom FA angewandte
Berechnungsmethode führt auch nicht zu einer verfassungswidrigen
Übermaßbesteuerung.
Ziel der Fünftelregelung ist
es, die zusammengeballt in einem Jahr anfallenden außerordentlichen
Einkünfte in typisierender Weise so zu besteuern, als wenn sie nicht in
einem, sondern in fünf Jahren angefallen wären (vgl. Horn in Herrmann/Heuer/
Raupach, § 34 EStG Rz 3; Eggesiecker/Ellerbeck, DStR 2007, 1281 f.). Dabei
hat sich der Gesetzgeber nicht für eine Verteilung der außerordentlichen
Einkünfte auf fünf Veranlagungszeiträume entschieden. Vielmehr mindert er
ihre Progressionswirkung in der Weise, dass er sie auf das untere Fünftel
der Gesamtprogressionswirkung beschränkt, die die außerordentlichen
Einkünfte im Jahr des Zuflusses entfalten würden. Die Beschränkung wirkt
nicht etwa linear, sondern in Abhängigkeit von der Steigerung der
Steuersatzkurve im jeweiligen Bereich. Erreicht das verbleibende zu
versteuernde Einkommen den Spitzensteuersatz, ist die Progressionswirkung
der außerordentlichen Einkünfte und damit die Entlastungswirkung der
Fünftelregelung gleich Null.
Die nach § 34 Abs. 1 EStG zu
saldierenden Steuerbeträge sind in der Weise zu ermitteln, dass auf das
verbleibende zu versteuernde Einkommen bzw. auf das erhöhte verbleibende zu
versteuernde Einkommen jeweils die allgemeinen Tarifvorschriften des § 32b
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG Anwendung finden. Die Berücksichtigung des
Progressionsvorbehalts beim verbleibenden zu versteuernden Einkommen und
beim verbleibenden zu versteuernden Einkommen zuzüglich 1/5 der
außerordentlichen Einkünfte führt dazu, dass genau die Progressionswirkung
der außerordentlichen Einkünfte im dargelegten Sinne auf 1/5 beschränkt
wird. So wird eine zielgenaue Umsetzung der ratio des Progressionsvorbehalts
erreicht.
Auch bei einer vollen
Berücksichtigung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden steuerfreien
Einkünfte werden diese nicht besteuert. Der Progressionsvorbehalt führt
lediglich zu einer Erhöhung der ansonsten begünstigten Besteuerung der
außerordentlichen Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG, dies jedoch entsprechend
der gesteigerten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit infolge des Bezugs auch
steuerfreier Einkünfte.
Soweit eine
verfassungswidrige Übermaßbesteuerung aus dem Zusammenspiel von
Fünftelregelung und Progressionsvorbehalt bei vollständiger Berücksichtigung
der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte daraus abgeleitet
wird, dass Grenzsteuersätze bis zum Fünffachen des
Einkommensteuerspitzensatzes auftreten könnten (Siegel/Diller, DStR 2008,
178; Hennig/ Hundsdoerfer/Schult, DStR 1999, 131), verkennt dies, dass die
Mehrsteuer aus der Steuersatzerhöhung durch den Progressionsvorbehalt in
einer Relation zu den außerordentlichen Einkünften zu sehen ist, weil sie zu
einer Reduzierung der Begünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG führt. Es werden
nicht die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte besteuert,
vielmehr erhöhen diese den Maßstab für die zu besteuernde wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit (Steuersatz) und verringern das Bedürfnis nach einer
Begünstigung der außerordentlichen Einkünfte. Die Verfassungsmäßigkeit der
Einkommensteuerbelastung ist für das vom einzelnen Steuerpflichtigen
erwirtschaftete zu versteuernde Einkommen zu beurteilen, nicht aber für
Einzelaspekte bei der Bestimmung des Durchschnittssteuersatzes. Liegen das
aus laufenden Einkünften bestehende verbleibende zu versteuernde Einkommen
unter dem Existenzminimum und die außerordentlichen Einkünfte in der
proportional zu besteuernden Zone, so kann der Grenzsteuersatz bezogen auf
das verbleibende zu versteuernde Einkommen zwar ggf. über 200 % betragen
(vgl. Jahndorf/Lorscheider, FR 2000, 433; Wendt, FR 1999, 333, 337). Dies
bedeutet jedoch noch nicht zwangsläufig eine konfiskatorische
Einkommensteuer auf die steuerliche Bemessungsgrundlage insgesamt, wie der
im Streitfall vom FA angewandte Steuersatz zeigt. Maßgeblicher
Prüfungsgegenstand für die Einordnung einer Steuerbelastung als
unverhältnismäßig ist stets der staatliche Steuerzugriff, d.h. die Höhe der
Belastung einer steuerbaren Tätigkeit, nicht aber Teilaspekte der
Steuersatzberechnung.
Der Progressionsvorbehalt
wirkt sich im Rahmen der typisierenden Berechnung des § 34 Abs. 1 Satz 2
EStG aus wie zusätzliche nicht begünstigte Einkünfte. Dies entspricht auch
seiner Zwecksetzung, den Steuerpflichtigen hinsichtlich seines Steuersatzes
so zu behandeln, als wären die dem Progressionsvorbehalt unterfallenden
Einkünfte nicht steuerfrei. Diese Zusatzbelastung stellt eine systemgerechte
Beschränkung der Entlastung nach § 34 Abs. 1 EStG dar. Mit der geringen
Entlastungswirkung bei höheren Einkünften bewegt sich der Gesetzgeber aber
im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit.
2. Nach diesen Grundsätzen
hat das FA zutreffend ausgehend vom zu versteuernden Einkommen von 65.048 €
ein verbleibendes zu versteuerndes Einkommen von 8.522 € errechnet und
hierzu die Aufstockungsbeträge für die Berechnung des Steuersatzes nach
§ 32b Abs. 2 EStG addiert. Die Steuer auf das verbleibende zu versteuernde
Einkommen war 0 €. Die Addition von 1/5 der Einkünfte i.S. von § 34 EStG zum
verbleibenden zu versteuernden Einkommen zuzüglich der Aufstockungsbeträge
nach § 32b Abs. 2 EStG führte zu einem maßgebend zu versteuernden Einkommen
von 23.778 € und damit zu einem durchschnittlichen Steuersatz von 8,9762 %.
Die Anwendung dieses Steuersatzes auf das zu versteuernde Einkommen plus 1/5
der außerordentlichen Einkünfte unter Berücksichtigung des
Progressionsvorbehalts führte zu einem Unterschiedsbetrag von 1.780 €, der
mit dem Faktor 5 zu multiplizieren war. Dies führt zu einer tariflichen
Einkommensteuer von 8.900 €.
Die Sache ist spruchreif.
Angesichts der zutreffenden Steuerberechnung des FA ist die Klage
abzuweisen.
III.
Da die Revision begründet
ist, kann die das gegenläufige Ziel verfolgende Anschlussrevision der Kläger
keinen Erfolg haben. Im Übrigen ist sie unzulässig und daher zu verwerfen
(§ 126 Abs. 1 FGO).
Eine Abschrift der
Revisionsbegründung wurde den Klägern am 20. Dezember 2007 zugestellt. Die
Anschlussrevision war nach § 155 FGO i.V.m. § 554 Abs. 2 und 3 der
Zivilprozessordnung (ZPO) innerhalb eines Monats, d.h. bis zum 21. Januar
2008, einzulegen und zu begründen (vgl. BFH-Urteil vom 8. April 1981
II R 4/78, BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534); das ist nicht geschehen.
Hierauf wurden die Kläger durch Schreiben des Vorsitzenden vom 7. Februar
2008, zugestellt am 11. Februar 2008, hingewiesen.
Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand nach § 56 Abs. 1 FGO kann den Klägern nicht gewährt werden.
Sie waren nicht ohne Verschulden gehindert, die Frist für die Einlegung der
Anschlussrevision einzuhalten. Die Kläger müssen sich das Verschulden ihres
Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 155 FGO
i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
Angehörige der rechts- und
steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen
und die Organisation des Bürobetriebs so gestalten, dass Fristversäumnisse
ausgeschlossen sind (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschlüsse vom 8. November
2006 VII R 20/06, BFH/NV 2007, 469; vom 23. Oktober 2002 X B 56/02, BFH/NV
2003, 199, m.w.N.). Für den Fall der Verhinderung oder Abwesenheit eines mit
der Fristenkontrolle betrauten Mitarbeiters muss durch organisatorische
Maßnahmen die Weiterbearbeitung, zumindest aber die Einhaltung von Fristen
sichergestellt werden (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 199, m.w.N.). Insoweit
ist im Einzelnen darzulegen, wie die Fristenkontrolle bei - wie auch immer
bedingter - Abwesenheit der in der Kanzlei für die Fristenkontrolle
zuständigen Mitarbeiterin geregelt ist (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Dezember
2006 IX B 44/06, BFH/NV 2007, 921).
Danach kann der
Personalwechsel im Büro des Prozessvertreters der Kläger die Fristversäumnis
nicht rechtfertigen. Gleiches gilt für die EDV-Probleme. Treten solche auf,
erfordert eine ordnungsgemäße Büroorganisation, dass jedenfalls die
Fristenkontrolle in einer Weise sichergestellt wird, dass sich die
technischen Probleme hierauf nicht auswirken können.
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