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BFH-Urteil vom 1.7.2009 (I R 76/08) BStBl. 2010 II S. 1061
1.
Die Hinzurechnung von nach dem sog. Halbeinkünfteverfahren steuerfreien
Einkünften zur Bemessungsgrundlage der in Baden-Württemberg erhobenen
Kirchensteuer gemäß § 5 Abs. 2 KiStG BW i.V.m. § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG kann
nicht durch Verrechnung mit im betreffenden Veranlagungszeitraum nicht
verbrauchten Verlustvorträgen neutralisiert werden.
2.
Das Fehlen einer Verrechnungsmöglichkeit verstößt nicht gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz.
EStG 2002 § 3 Nr. 40, § 10d, § 51a Abs. 2
Satz 2; KiStG BW § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1.
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom
22. Juli 2008 3 K 148/05 (EFG 2008, 1908)
Sachverhalt
I.
Streitpunkt ist die
Hinzurechnung einkommensteuerbefreiter Einkünfte zur Bemessungsgrundlage der
Kirchensteuer nach Maßgabe von § 51a Abs. 2 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG 2002), wenn im betreffenden
Veranlagungszeitraum nach Festsetzung der Einkommensteuer nicht verrechnete
Verlustabzüge verblieben sind.
Die Kläger und
Revisionskläger (Kläger) sind im Streitjahr 2003 zusammen zur
Einkommensteuer veranlagte Eheleute, die der zum Verfahren beigeladenen
Evangelischen Landeskirche in Baden (Beigeladene) angehören. Zum
31. Dezember 2002 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt
- FA -) die noch berücksichtigungsfähigen Verluste der Kläger wie folgt
gesondert fest:
Im Rahmen der Veranlagung
zur Einkommensteuer für das Streitjahr ermittelte das FA einen Gesamtbetrag
der Einkünfte der Kläger in Höhe von 1.121.426 €. Dazu gehörten gewerbliche
Einkünfte des Klägers, bei deren Ermittlung nach dem sog.
Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG 2002 ein Betrag in Höhe von
1.796.222 € unberücksichtigt geblieben war. Nach Verrechnung mit den zum
31. Dezember 2002 gesondert festgestellten Verlustabzügen und nach Abzug von
Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen ergab sich für das
Streitjahr ein negatives zu versteuerndes Einkommen der Kläger von
./. 37.818 €, so dass das FA die Einkommensteuer auf 0 € festsetzte.
Die Kirchensteuer für das
Streitjahr setzte das FA auf 66.647,04 € fest. Dabei rechnete es unter
Berufung auf § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 dem Betrag des zu versteuernden
Einkommens jenen Betrag von 1.796.222 € hinzu, der bei der Ermittlung der
Einkünfte des Klägers gemäß § 3 Nr. 40 EStG 2002 als steuerfrei
unberücksichtigt geblieben war. Auf diese Weise errechnete das FA eine
fiktive Einkommensteuer von 833.088 € als Bemessungsgrundlage für die
Kirchensteuer.
Die gegen die Festsetzung
der Kirchensteuer erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG)
Baden-Württemberg mit Urteil vom 22. Juli 2008 3 K 148/05 abgewiesen. Sein
Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1908 abgedruckt.
Die Beigeladene hat während
des Einspruchsverfahrens einem Antrag der Kläger auf Kappung der
Kirchensteuer im Umfang von 5.115 € entsprochen. Über das weiter gehende
Kappungsbegehren der Kläger ist vor dem FG ein weiteres Klageverfahren
anhängig.
Gegen die Abweisung der
gegen die Kirchensteuerfestsetzung gerichteten Klage richtet sich die auf
Verletzung materiellen Rechts gestützte, vom FG zugelassene Revision der
Kläger.
Die Kläger beantragen
(sinngemäß), das FG-Urteil und den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die
Kirchensteuer für das Streitjahr auf 0 € festzusetzen.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen
Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
Dem Antrag der Kläger, das Ruhen des
Verfahrens anzuordnen, weil sie beabsichtigten, bei der Beigeladenen einen
Antrag auf Steuererlass zu stellen, kann nicht entsprochen werden. Denn das
Ruhen des Verfahrens kann gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m.
§ 251 der Zivilprozessordnung nur auf Antrag beider Hauptbeteiligter
angeordnet werden. Das FA hat dem Ruhensantrag der Kläger jedoch
widersprochen.
III.
Die Revision ist unbegründet und deshalb
gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
1. Die Vorinstanz hat die Klage zu Recht
als zulässig angesehen. Der Finanzgerichtsweg in evangelischen
Kirchensteuerangelegenheiten in Baden-Württemberg ist gemäß § 33 Abs. 1
Nr. 4 FGO i.V.m. § 4 des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung
vom 29. März 1966 (Gesetz- und Verordnungsblatt Baden-Württemberg - GVBl BW
- 1966, 49) eröffnet. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von
Wiederholungen auf sein Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 33/97 (BFHE 184,
167, BStBl II 1998, 126); die maßgebliche Gesetzeslage hat sich nicht
geändert.
Das FA ist im Klageverfahren passiv
prozessführungsbefugt. Das folgt aus § 17 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1
des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche
Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (KiStG BW) vom 15. Juni 1978
(GVBl BW 1978, 370), wonach auf das Verfahren betreffend die Kirchensteuern,
die als Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben werden, die für die
Einkommensteuer geltenden Vorschriften Anwendung finden, soweit die
Verwaltung der Kirchensteuern gemäß § 17 Abs. 1 KiStG BW den
Landesfinanzbehörden übertragen ist. Nach den Feststellungen des FG ist das
im Hinblick auf die hier in Rede stehende evangelische Kirchensteuer in
Baden-Württemberg der Fall.
2. In der Sache ist die Revision
unbegründet. Das FA hat die Kirchensteuer der Kläger für das Streitjahr
zutreffend festgesetzt.
a) Die in Baden-Württemberg wohnhaften
Kläger sind gemäß § 3 Abs. 1 KiStG BW landeskirchensteuerpflichtig. Nach § 5
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KiStG BW i.V.m. § 4 Nr. 1 der Kirchensteuerordnung
der Beigeladenen vom 28. Oktober 1971 (GVBl BW 1971, 173) werden die
Kirchensteuern als Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben. Zur Berechnung der
Zuschlagsteuer verweist § 5 Abs. 2 KiStG BW auf § 51a EStG in seiner
jeweiligen Fassung.
b) Bei der landesgesetzlichen Verweisung
auf die bundesrechtliche Norm des § 51a EStG "in seiner jeweiligen Fassung"
handelt es sich um eine sog. dynamische Verweisung, die zwar nicht gänzlich
ausgeschlossen, aber unter bundesstaatlichen, rechtsstaatlichen und
demokratischen Gesichtspunkten verfassungsrechtlich nur eingeschränkt
zulässig ist (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG -
vom 1. März 1978 1 BvR 786/70, 793/70, 168/71, 95/73, BVerfGE 47, 285; vom
26. Januar 2007 2 BvR 2408/06, Gewerbearchiv 2007, 149). Möglichen
verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Wirksamkeit der
dynamischen Verweisung des § 5 Abs. 2 KiStG BW braucht der Senat jedoch für
die im Streitfall relevante Fassung des § 51a Abs. 2 EStG 2002 nicht weiter
nachzugehen. Denn diese ist mit dem Gesetz zur Regelung der
Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000 (BGBl I 2000,
1978) in das Einkommensteuergesetz aufgenommen worden. Diese Änderung des
§ 51a Abs. 2 EStG war ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der
Regierungsfraktionen des Landtags von Baden-Württemberg (Drucks 12/5792,
S. 4) Anlass für den Landesgesetzgeber, die Bestimmung des § 5 Abs. 2
KiStG BW durch das Gesetz zur Änderung des Kirchensteuergesetzes vom
6. Februar 2001 (GVBl BW 2001, 116) zu ändern und die jetzige Form einer
dynamischen Verweisung auf § 51a EStG in das Gesetz aufzunehmen. Damit ist
die Verweisung jedenfalls insoweit als verfassungsrechtlich unbedenklich
anzusehen, als es um die Bezugnahme auf § 51a EStG i.d.F. des Gesetzes vom
21. Dezember 2000 geht. Denn zumindest deren Geltung hat der
Landesgesetzgeber offenkundig und konkret in seinen Gesetzgebungswillen
aufgenommen.
c) Gemäß § 51a Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 ist
Bemessungsgrundlage für die Zuschlagsteuern die Einkommensteuer unter
Berücksichtigung bestimmter - hier nicht relevanter - Freibeträge. In § 51a
Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 heißt es sodann u.a., dass das zu versteuernde
Einkommen um die nach § 3 Nr. 40 EStG 2002 steuerfreien Beträge zu erhöhen
ist.
Im Streitfall ergibt sich aus diesen
Modifikationen die vom FA angesetzte "fiktive" Einkommensteuer von 833.088 €
als Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer: Nach Verrechnung der zum
31. Dezember 2002 festgestellten Verlustvorträge mit dem Gesamtbetrag der
Einkünfte (§ 10d, § 2 Abs. 3 EStG 2002) und nach Abzug von Sonderausgaben
und außergewöhnlichen Belastungen verblieb das vom FA errechnete zu
versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG 2002) von ./. 37.818 €. Diesem
Betrag sind gemäß § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 die nach § 3 Nr. 40 EStG
2002 steuerfreien Einkünfte hinzuzurechnen; das sind im Streitfall die bei
der Besteuerung der gewerblichen Einkünfte des Klägers unberücksichtigt
gebliebenen "Halbeinkünfte" von 1.796.222 €. Auf das sonach modifizierte zu
versteuernde Einkommen von 1.758.404 € entfällt eine "fiktive"
Einkommensteuer von 833.088 €. Bei dem gemäß § 9 KiStG BW i.V.m. § 2 des
Kirchlichen Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsbuches der
Evangelischen Landeskirche in Baden für die Jahre 2002 und 2003 vom
24. Oktober 2001 (GVBl BW 2002, 53) für das Streitjahr geltenden
Kirchensteuersatz von 8 % errechnet sich daraus die festgesetzte
Kirchensteuer von 66.647,04 €. Dass diese Berechnung der Kirchensteuer nach
dem Wortlaut des Gesetzes richtig ist, stellen auch die Kläger nicht in
Abrede.
d) Der Umstand, dass den Klägern für das
Streitjahr noch nicht durch Verrechnung verbrauchte Verlustvorträge zur
Verfügung gestanden haben, führt nicht zu einer Reduzierung der
Kirchensteuer. Verlustvorträge gemäß § 10d EStG 2002 verringern die
Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuern nur insoweit, als sie mit dem
Gesamtbetrag der Einkünfte verrechnet werden und damit das nach § 2 Abs. 5
EStG 2002 zu versteuernde Einkommen als Ausgangsgröße der Berechnung der
Zuschlagsteuern gemäß § 51a Abs. 2 EStG 2002 mindern. Eine weiter gehende
Verwendung von Verlustvorträgen für Zwecke der Zuschlagsteuern sieht das
Gesetz nicht vor.
e) Eine planwidrige gesetzliche
Regelungslücke, die - z.B. im Wege einer Analogie zu § 10d EStG 2002 - eine
Berücksichtigung der für die Zwecke der Einkommensteuer nicht "verbrauchten"
Verlustvorträge im Rahmen der Bemessung der Kirchensteuer ermöglichen würde,
besteht nicht.
aa) § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG in der im
Streitjahr geltenden Fassung ist durch das Gesetz zur Regelung der
Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000 (BGBl I 2000,
1978) in das Gesetz aufgenommen worden. Zweck der Bestimmung - soweit es um
die hier relevante Hinzurechnung der nach § 3 Nr. 40 EStG 2002 steuerfreien
Einkünfte geht - war es, die mit der Einführung des sog.
Halbeinkünfteverfahrens durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur
Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433,
BStBl I 2000, 1428) verbundenen Auswirkungen auf die Ermittlung der
steuerlichen Bemessungsgrundlage insbesondere der Kirchensteuern zu
neutralisieren (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses -
7. Ausschuss -, BTDrucks 14/4546, S. 3). Das Erfordernis einer
Neutralisierung der Auswirkungen des Halbeinkünfteverfahrens auf die
Bemessung der Kirchensteuer beruht auf dem Gedanken, dass die Freistellung
der Hälfte der in § 3 Nr. 40 EStG 2002 aufgeführten Einkünfte (insbesondere
Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften) von der Einkommensbesteuerung der
steuerlichen Vorbelastung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft durch die
Reduzierung der Einkommensteuer auf die ausgeschüttete Dividende im Wege der
Pauschalierung Rechnung tragen soll; an einem vergleichbaren Grund für eine
Reduzierung der Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer fehlt es jedoch,
weil die Erträge von Kapitalgesellschaften nicht der Kirchensteuer
unterliegen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom
20. August 2008 9 C 9/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR -
2009, 193; Pust in Littman/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 51a EStG
Rz 101).
bb) Ob den am Gesetzgebungsverfahren
Beteiligten bei der Schaffung der in § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002
enthaltenen Regelung bewusst war, dass die Hinzurechnung der
einkommensteuerbefreiten Einkünfte zur Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer
bei vorhandenen Verlustabzügen nach § 10d EStG 2002 dazu führen kann, dass
bei einer Einkommensteuer von 0 € eine nicht unerhebliche Kirchensteuer
anfällt (zweifelnd Hofmann, Der Betrieb - DB - 2005, 2157, 2158; Petersen in
Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 51a EStG Rz C 18),
lässt sich anhand der Gesetzesmaterialien nicht mit Sicherheit feststellen.
In Bericht und Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BTDrucks 14/4546,
S. 3), heißt es zu den Konsequenzen der Regelung lediglich, die
Korrekturrechnung auf der Basis des zu versteuernden Einkommens könne "im
Einzelfall dazu führen, dass aufgrund der Nichtberücksichtigung von
Freibeträgen die Kirchensteuerbelastung geringfügig erhöht wird". Immerhin
geht daraus hervor, dass die Hinzurechnung auf der Ebene des zu
versteuernden Einkommens eine bewusste und gewollte Entscheidung des
Gesetzgebers war, um - wie es dort ebenfalls heißt - "den Verwaltungsaufwand
einer vollständigen Schattenveranlagung zur Neutralisierung des
Halbeinkünfteverfahrens" zu vermeiden.
cc) Es besteht kein Grund zu der Annahme,
das Gesetz sei, gemessen an seinem eigenen Ziel und Zweck, unvollständig,
also ergänzungsbedürftig, was Voraussetzung für die Annahme einer
planwidrigen Regelungslücke ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 21. Oktober
1999 I R 66/98, BFHE 190, 390, BStBl II 2000, 288; vom 16. März 1994
I R 146/93, BFHE 175, 22, BStBl II 1994, 941; vom 19. Dezember 2007
I R 52/07, BFHE 220, 180, BStBl II 2008, 431; Drüen in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 348). Insbesondere ist die
Konsequenz einer wortgetreuen Gesetzesanwendung weder systemwidrig noch
wirtschaftlich unvertretbar.
aaa) Es besteht kein Rechtsgrundsatz, nach
dem die Kirchensteuer als Zuschlagsteuer die festgesetzte Einkommensteuer in
einzelnen Veranlagungszeiträumen der Höhe nach nicht übersteigen darf.
bbb) Die Versagung einer weiter gehenden
Verrechnung der Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer mit
einkommensteuerrechtlich nicht "verbrauchten" Verlustvorträgen führt nicht
zu einem definitiven Wegfall des Verlustverrechnungspotentials für Zwecke
der Kirchensteuer (BVerwG-Urteil in HFR 2009, 193; Homburg, Finanz-Rundschau
- FR - 2008, 153, 157; Petersen in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 51a
Rz C 23). Denn der nicht verbrauchte Verlustabzug kann nach Maßgabe des
§ 10d EStG 2002 in den nachfolgenden Veranlagungszeiträumen zur Minderung
der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer verwendet werden und reduziert
dann zugleich auch die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer. Die
Hinzurechnung gemäß § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 ändert somit nichts daran,
dass für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer in jedem
Veranlagungszeitraum dasjenige Verlustverrechnungspotential ausgenutzt wird,
das zur Reduzierung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer verwendet
worden ist.
Soweit die Kläger demgegenüber unter
Bezugnahme auf ihr fortgeschrittenes Lebensalter darauf verweisen, die
festgestellten Verlustvorträge könnten von ihnen möglicherweise nicht mehr
ausgenutzt werden, beschreiben sie nur jenes Spannungsverhältnis zwischen
dem ertragsteuerlichen Abschnittsprinzip und dem Leistungsfähigkeitsprinzip,
das grundsätzlich eine abschnittsübergreifende Nettobesteuerung erfordern
würde (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608;
Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2003 I ER-S 1/03, BFHE 203, 496, BStBl II
2004, 414). Dieses Spannungsverhältnis besteht indes in gleicher Weise auf
der Ebene der Einkommensteuer, wo im Streitjahr das identische
Verlustverrechnungspotential ungenutzt geblieben ist. Daraus kann mithin
nicht gefolgert werden, im Bereich der Kirchensteuern müsse das
Verlustverrechnungspotential in größerem Umfang ausgenutzt werden können als
bei der Einkommensteuerfestsetzung.
ccc) Eine Berücksichtigung der bei der
Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer nicht ausgenutzten
Verlustvorträge im Bereich der Kirchensteuerfestsetzung würde dem erklärten
Ziel des Gesetzgebers (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des
Finanzausschusses, BTDrucks 14/4546, S. 3) zuwiderlaufen, durch die
Hinzurechnung der steuerbefreiten Halbeinkünfte auf der Ebene des zu
versteuernden Einkommens den Verwaltungsaufwand einer vollständigen
Schattenveranlagung zur Neutralisierung des Halbeinkünfteverfahrens im
Bereich der Kirchensteuer zu vermeiden (BVerwG-Urteil in HFR 2009, 193;
Homburg, FR 2008, 153, 157). Sie hätte nämlich zur Konsequenz, dass sich die
für die Einkommensteuer und die für die Kirchensteuer verwendbaren
Verlustabzüge unterschiedlich entwickeln würden; für die Zwecke der
Kirchensteuer müsste dann jeweils eine gesonderte Feststellung der
verbleibenden Verlustabzüge vorgenommen werden. Dass die Ermittlung der
Kirchensteuer sich in dieser Weise verfahrensrechtlich zu einer
Schattenveranlagung verselbständigt, wollte der Gesetzgeber offenkundig
verhindern.
f) Die Hinzurechnung der steuerfreien
Halbeinkünfte nach § 5 Abs. 2 KiStG BW i.V.m. § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002
verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG). Dieser verpflichtete den Gesetzgeber auch nicht, eine
Möglichkeit der Verrechnung des Hinzurechnungsbetrags mit noch nicht
genutzten Verlustvorträgen zu schaffen.
aa) Durch die Hinzurechnung der nach § 3
Nr. 40 EStG 2002 steuerbefreiten Halbeinkünfte zur Bemessungsgrundlage der
Kirchensteuer werden die Steuerpflichtigen mit Einkünften, die dem
Halbeinkünfteverfahren unterliegen, nicht unangemessen benachteiligt. Wie
oben ausgeführt, ist die Hinzurechnung vielmehr eine folgerichtige Reaktion
auf die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens (ebenso BVerwG-Urteil in HFR
2009, 193; Homburg, FR 2008, 153, 155 ff.; Kirchhof, Einkommensteuergesetz,
8. Aufl., § 51a Rz 2; Pust in Littman/Bitz/Pust, a.a.O., § 51a EStG Rz 101;
Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 51a Rz 30a; Blümich/Treiber,
Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 51a
EStG Rz 53; im Grundsatz auch Hofmann, DB 2005, 2157, 2158; a.A.
Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 28. Aufl., § 51a Rz 1: "nicht
zweckmäßig"; kritisch auch Schult, Betriebs-Berater 2001, 1019). Da die
empfangenen Dividenden auf der Ebene der ausschüttenden
Kapitalgesellschaften nicht mit Kirchensteuern "vorbelastet" sind, besteht
kein sachlicher Grund dafür, diese Einkünfte auf der Ebene des Empfängers
zur Hälfte von der Kirchensteuer freizustellen.
bb) Der Ausschluss einer Verlustverrechnung
im Hinblick auf die hinzuzurechnenden Halbeinkünfte führt dazu, dass die vom
Steuerpflichtigen erzielten Einkünfte i.S. von § 3 Nr. 40 EStG 2002
unabhängig von der Höhe eines zur Verfügung stehenden Verlustvortrags nach
§ 10d EStG 2002 in jedem Fall zur Hälfte der Kirchensteuer zu unterwerfen
sind. Ein Steuerpflichtiger, der gleich hohe Einkünfte erzielt hat, zu denen
aber nicht solche i.S. des § 3 Nr. 40 EStG 2002 gehören, und die gemäß § 10d
EStG 2002 vollständig mit Verlustabzügen verrechnet werden können, muss
demgegenüber im gleichen Veranlagungszeitraum keine Kirchensteuern
entrichten. Jedoch verstößt diese Ungleichbehandlung nicht gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
aaa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich
Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im Bereich
des Steuerrechts wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch das
Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit begrenzt. Im
Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss
darauf abgezielt werden, dass Steuerpflichtige bei gleicher
Leistungsfähigkeit gleich hoch besteuert werden ("horizontale"
Steuergleichheit, vgl. BVerfG-Beschluss vom 16. März 2005 2 BvL 7/00,
BVerfGE 112, 268, m.w.N.).
Jedoch ist auch die Befugnis des
Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Bei der Ordnung
steuerrechtlicher Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die
Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm
vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend
wiedergibt (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 112, 268; vom 31. Mai 1988
1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214; vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120,
1; jeweils m.w.N.). Auf dieser Grundlage darf er generalisierende,
typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit
unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu
verstoßen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, BVerfGE
84, 348; in BVerfGE 112, 268, jeweils m.w.N.). Allerdings darf eine
gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern
muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (BVerfG-Beschluss
in BVerfGE 112, 268).
bbb) Nach diesen Maßstäben war der
Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen gehalten, eine Verrechnung des nach
§ 51a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 hinzurechnenden Betrages mit noch nicht
verbrauchten Verlustvorträgen vorzusehen (so auch BVerwG-Urteil in HFR 2009,
193; Homburg, FR 2008, 153, 157 f.; a.A. Hofmann, DB 2005, 2157, 2158).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Sachverhalt wie dem des
Streitfalls, in dem ein festgestellter Verlustvortrag den Gesamtbetrag der
Einkünfte im betreffenden Veranlagungszeitraum erheblich übersteigt, im
Massengeschäft der Veranlagung zur Kirchensteuer ein eher seltener
Ausnahmefall sein dürfte. Demgegenüber würde das Erfordernis von getrennten
Verlustfeststellungsverfahren bei der Erhebung von Einkommen- und
Kirchensteuern die Komplexität einer Vielzahl von Veranlagungsverfahren
weiter erhöhen.
Das Fehlen einer Möglichkeit zur
Verlustverrechnung ist dem Steuerpflichtigen insbesondere deshalb zumutbar,
weil es sich - wie oben dargestellt - nicht um einen definitiven Ausschluss
einer Verlustverrechnung handelt. Vielmehr mindert das vorhandene
Verlustverrechnungspotential in künftigen Veranlagungszeiträumen in dem
Maße, wie es die jeweilige Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer
verringert, auch die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer. An einer
Regelung, die den Verlustausgleich nicht versagt, sondern lediglich zeitlich
streckt, bestehen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG keine
verfassungsrechtlichen Zweifel (vgl. Senatsurteil vom 11. Februar 1998
I R 81/97, BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485; BFH-Beschluss vom 27. Januar
2006 VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150, m.w.N.). Es genügt, wenn die Verluste
überhaupt, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum, steuerlich
berücksichtigt werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998
2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88). Auch erstarkt die bei ihrer Entstehung
gegebene bloße Möglichkeit, die Verluste später ausgleichen zu können, nicht
zu einer grundgesetzlich geschützten Vermögensposition - Art. 14 Abs. 1 GG -
(Senatsurteil in BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485; BVerwG-Urteil in HFR
2009, 193).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135
Abs. 2 FGO. Den Klägern waren gemäß § 139 Abs. 4 FGO auch die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese das
Verfahren durch Erklärung des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne
mündliche Verhandlung gefördert hat (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 1993
I R 124/91, BFHE 172, 37, BStBl II 1993, 889; vom 20. Juni 2001 VI R 169/97,
BFH/NV 2001, 1443; vom 9. Februar 2009 III R 39/07, juris, jeweils m.w.N.).
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