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BFH-Urteil vom 17.6.2010 (VI R 18/08) BStBl. 2010 II S. 1072
Bergmannsprämie für Arbeitnehmer des Bergbaus
Auch ein Arbeitnehmer, der bei einem nicht der bergbehördlichen Aufsicht
unterstehenden Unternehmen angestellt ist, kann Arbeitnehmer des Bergbaus
i.S. des § 1 Abs. 1 BergPG sein und Anspruch auf die Bergmannsprämie haben.
BergPG § 1 Abs. 1; BergPDV § 1.
Vorinstanz: FG Münster vom 9. Oktober 2007
12 K 4223/05 P (EFG 2008, 588)
Sachverhalt
I.
1
Streitig ist, ob der Kläger
und Revisionskläger (Kläger) Anspruch auf die Bergmannsprämie hat.
2
Der Kläger ist als
ausgebildeter Elektroinstallateur nichtselbständig bei der Firma L
beschäftigt. L, der Arbeitgeber des Klägers, ist im Bereich
Elektro-Installationen, Industrie- und Telefonanlagen, TV, Hifi, Video,
Einbauküchen und Reparaturservice tätig. Seit 1972 ist L von der S-GmbH
(GmbH) beauftragt, Elektroarbeiten im Bergbau auszuführen. Die GmbH betreibt
eine Schwerspatgrube und untersteht nach § 69 Bundesberggesetz (BBergG) der
Bergaufsicht durch das zuständige Bergamt. Die GmbH beschäftigt keine
eigenen Elektriker. Instandsetzung und Erweiterungsarbeiten der elektrischen
Anlagen der GmbH werden von L ausgeführt. Diese insbesondere unter Tage
notwendigen Arbeiten zur Aufrechterhaltung des Grubenbetriebes führt seit
1982 ausschließlich der Kläger aus. Er ist darüber hinaus im
Untertagebereich als Bohrhelfer, Ausbauhelfer sowie Laderfahrer tätig.
Gesetzlich krankenversichert ist der Kläger bei der Bundesknappschaft.
3
Der Kläger beantragte für
die Monate Januar und Februar 2005 die Feststellung der hier streitigen
Bergmannsprämie gemäß § 3 Abs. 1 Satz 5 des Gesetzes über Bergmannsprämien
(BergPG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 12. Mai 1969 (BGBl I 1969, 434),
zuletzt geändert durch Art. 37 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl I
2003, 2954) i.V.m. § 11 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über
Bergmannsprämien (BergPDV) vom 20. Dezember 1977 (BGBl I 1977, 3135). Er
machte geltend, im Januar 200521 Schichten und im Februar 200512 Schichten
unter Tage abgeleistet zu haben. Er sei nicht nur gelegentlich, sondern
ständig und ausschließlich unter Tage beschäftigt. Die im Gesetz
beabsichtigte Vergünstigung solcher Tätigkeiten treffe auf ihn zu. Zur
weiteren Begründung legte er Erklärungen der Bergämter T-Stadt und S-Stadt
vom 22. August 1986 und vom 4. April 2005 vor, nach denen die
Schwerspatgrube der GmbH der Bergaufsicht nach § 69 BBergG unterstehe und
somit auch die durch L im Unter- und Übertagebereich durchgeführten Arbeiten
der Aufsicht durch die Bergbehörde unterliegen.
4
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Antrag des Klägers ab
und wies den dagegen eingelegten Einspruch zurück.
5
Das Finanzgericht (FG) wies
die dagegen erhobene Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte
2008, 588 veröffentlichten Gründen ab.
6
Der Kläger rügt mit der
Revision die Verletzung materiellen Rechts.
7
Er beantragt, das Urteil des
FG Münster vom 9. Oktober 2007 sowie den Bescheid vom 15. März 2005 in der
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. September 2005 aufzuheben und das
FA zu verpflichten, Bergmannsprämie betreffend die Monate Januar und Februar
2005 in Höhe von zusammen 165 EUR festzusetzen.
8
Das FA beantragt, die Klage
abzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
9
Die Revision des Klägers ist begründet. Die
Vorentscheidung wird aufgehoben und der Rechtsstreit an das FG
zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO
-). Der Kläger hat einen Anspruch auf eine Bergmannsprämie auf Grundlage des
Gesetzes über Bergmannsprämien. Zur Feststellung der Höhe der zu gewährenden
Prämie wird die Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
10
1. Nach § 1 Abs. 1 BergPG erhalten
Arbeitnehmer des Bergbaus, die unter Tage beschäftigt werden,
Bergmannsprämien. Das Gesetz über Bergmannsprämien selbst enthält keine
weitere Definition dazu, was unter Arbeitnehmer des Bergbaus zu verstehen
ist. Auf Grundlage des § 6 Abs. 1 BergPG hat die Bundesregierung mit
Zustimmung des Bundesrates die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über
Bergmannsprämien erlassen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung
(BergPDV) sind Arbeitnehmer des Bergbaus Personen, die in einem
Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen des Bergbaus (Abs. 2) stehen und in
den der bergbehördlichen Aufsicht unterstellten Betrieben (Abs. 2 Nr. 1)
beschäftigt werden. Nach § 1 Abs. 2 BergPDV sind Unternehmen des Bergbaus
1. Unternehmen, die der bergbehördlichen
Aufsicht unterstellte Betriebe unterhalten,
2. Unternehmen, soweit sie ständig
Schachtbau oder andere bergbauliche Aufschließungs- und Vorrichtungsarbeiten
als spezifisch bergmännische Arbeiten in den unter Nr. 1 bezeichneten
Betrieben verrichten (Bergbauspezialgesellschaften).
11
2. Gemessen daran hat das FG zwar
zutreffend entschieden, dass L als Arbeitgeber des Klägers keinen der
bergbehördlichen Aufsicht unterstellten Betrieb unterhält (a). Der Kläger
ist aber dennoch ein unter Tage beschäftigter Arbeitnehmer des Bergbaus i.S.
des § 1 Abs. 1 BergPG (b).
12
a) Zu Recht gelangte das FG zu der
Beurteilung, dass der Kläger bei L in einem Betrieb der Elektrotechnik
beschäftigt ist und dieser Betrieb selbst nicht der bergbehördlichen
Aufsicht untersteht. Zutreffend hat das FG insoweit darauf abgehoben, dass
die Bescheinigungen der Bergämter T-Stadt und S-Stadt vom 22. August 1986
und vom 4. April 2005 nicht erklären, dass L der bergbehördlichen Aufsicht
unterliege. Für den Streitfall kann allerdings dahinstehen, ob der
Rechtsauffassung des FG, wonach es nicht an die Rechtsauffassung der
Bergaufsicht gebunden sei, zu folgen wäre. Der Senat weist in diesem
Zusammenhang fürsorglich darauf hin, dass nach der übereinstimmenden
Rechtsprechung aller fünf obersten Bundesgerichte auf Grundlage der
sogenannten Tatbestandswirkung jedenfalls dann, wenn eine Behörde durch
Verwaltungsakt zu einer verbindlichen Regelung oder Qualifikation gelangt,
dieser Verwaltungsakt als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips
Tatbestandswirkung entfaltete und die Entscheidung über dessen
Rechtmäßigkeit und Bestand den dazu berufenen Spezialgerichten überlassen
bliebe (dazu zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 21. Januar 2010 VI R
52/08, BFH/NV 2010, 1169).
13
b) Das die Bergmannsprämie berechtigende
Merkmal "Arbeitnehmer des Bergbaus" erfordert u.a. ein Arbeitsverhältnis zu
einem Unternehmen des Bergbaus. Unternehmen des Bergbaus im Sinne der
Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Bergmannsprämien sind nach § 1
Abs. 2 BergPDV nicht nur Unternehmen, die der bergbehördlichen Aufsicht
unterstellte Betriebe unterhalten (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 BergPDV), sondern auch
die Bergbauspezialgesellschaften (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BergPDV). § 1 Abs. 1 Satz
1 BergPDV fordert nur für die eigentlichen Unternehmen des Bergbaus i.S. des
§ 1 Abs. 2 Nr. 1 BergPDV deren bergbehördliche Aufsicht; denn § 1 Abs. 1
Satz 1 BergPDV nimmt allein auf Abs. 2 Nr. 1 BergPDV Bezug. Ein Unternehmen
des Bergbaus i.S. des § 1 Abs. 2 BergPDV kann mithin auch ein der
bergbehördlichen Aufsicht nicht unterstelltes Unternehmen sein. Entgegen der
Ansicht des FG konnte es deshalb auch dann, wenn L nicht der Bergaufsicht
unterliegt, nicht offen bleiben, ob L als Bergbauspezialgesellschaft
anzusehen ist.
14
aa) Wenn § 1 Abs. 1 Satz 1 BergPDV sowohl
ein Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen des Bergbaus als auch die
Beschäftigung des Arbeitnehmers in einem der bergbehördlichen Aufsicht
unterstellten Betrieb voraussetzt, beziehen sich die Merkmale
"Arbeitsverhältnis" und "beschäftigt" nicht tautologisch auf denselben
Lebenssachverhalt. § 1 Abs. 1 Satz 1 BergPDV normiert vielmehr eine
rechtliche und eine tatsächliche Bedingung. Die rechtliche Bedingung ist die
arbeitsvertragliche Rechtsbeziehung zu einem Unternehmen des Bergbaus i.S.
des § 1 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 BergPDV. Die tatsächliche Bedingung ist die
Beschäftigung im Sinne der Ausübung einer spezifischen bergmännischen
Betätigung, wie sie auch in § 1 Abs. 2 Nr. 2 BergPDV in den Merkmalen
"spezifisch bergmännische Arbeiten ... verrichten" zum Ausdruck kommt.
Dieser tatsächlichen Bedingung ist auch dann genügt, wenn der Arbeitnehmer
zwar nicht in einem Arbeitsverhältnis zu einem der bergbehördlichen Aufsicht
unterstellten Unternehmen steht, aber für eine spezifisch bergmännische
Arbeiten verrichtende Bergbauspezialgesellschaft in einem der
bergbehördlichen Aufsicht unterstellten Unternehmen tätig wird.
Entsprechendes folgt auch aus der Begründung zu § 1 Abs. 2 BergPDV (BRDrucks
218/57, Begründung, S. 1). Die umschreibt "Arbeitnehmer des Bergbaus" dahin,
dass sie in einem Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen des Bergbaus stehen
und in einem der bergrechtlichen Aufsicht unterstellten Betrieb beschäftigt
sein müssen. Die nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Bedingung
kommt in der Begründung dadurch zum Ausdruck, dass zu diesen "Unternehmen
des Bergbaus" auch die Bergbauspezialgesellschaften gehören, die nur von
bergmännisch ausgebildeten Arbeitskräften zu leistende und auch seitens der
Unternehmen besondere bergmännische Kenntnisse und Erfahrungen erfordernde
Arbeiten ausführten und deshalb einen solch engen Zusammenhang mit der
Gewinnung von Bodenschätzen aufwiesen, dass ihre Zurechnung zum Kreis der
Unternehmen des Bergbaus gerechtfertigt sei.
15
bb) Der erkennende Senat hatte bereits
früher zu den Bergbauspezialgesellschaften entschieden (Urteil vom 16.
September 1960 VI 299/58, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1962,
122). Danach bezieht die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über
Bergmannsprämien über die im Gesetz angesprochenen eigentlichen Bergleute
hinaus auch die Arbeitnehmer solcher Bergbauspezialgesellschaften ein. Und
der Senat hatte solche Arbeitnehmer nicht von der Begünstigung
ausgeschlossen, die - wie alle Bergleute - bei der Knappschaft
pflichtversichert sind und die nicht nur gelegentlich, sondern ständig unter
Tage beschäftigt werden.
16
cc) Dem entspricht es, wenn die Begründung
zum Gesetz über Bergmannsprämien (BTDrucks 2/2351, S. 4) nicht nur das
allgemeine Regelungsziel des Gesetzes - der besorgniserregenden Abwanderung
von Bergleuten aus der Untertagearbeit mit der Prämie entgegenzuwirken -
betont hatte, sondern auch konkret § 1 des Gesetzesvorschlags erläutert,
wonach die Bergmannsprämie zwar Arbeitnehmer des Bergbaus und auch nur die,
die unter Tage beschäftigt seien, erfasse, dass aber darüber hinaus die
Bergmannsprämie auch handwerklich unter Tage Beschäftigten, z.B. Schlossern
und Elektrikern, gewährt werden solle. In Abgrenzung dazu sollten Angehörige
von Gewerbezweigen, die nur gelegentlich unter Tage, etwa zur Montage von
Maschinen und Ähnlichem, beschäftigt seien, die Prämie nicht erhalten.
17
3. Danach hat der Kläger grundsätzlich
Anspruch auf die Bergmannsprämie. Denn er ist Arbeitnehmer des Bergbaus, der
unter Tage beschäftigt wird (§ 1 Abs. 1 BergPG). Der Kläger ist Arbeitnehmer
des Bergbaus, weil er in einem Arbeitsverhältnis zu L, einer
Bergbauspezialgesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BergPDV, steht, das als
solches ein Unternehmen des Bergbaus ist und er in einem der
bergbehördlichen Aufsicht unterstellten Betrieb, der die Schwerspatgrube
betreibenden GmbH, beschäftigt wird und tatsächlich seiner Tätigkeit
nachgeht, indem er dort spezifisch bergmännische Arbeiten verrichtet.
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a) L ist eine Bergbauspezialgesellschaft,
weil sie die zur Aufrechterhaltung des Grubenbetriebs notwendigen
Elektroarbeiten im Bereich der Instandsetzung und Erweiterung ausgeführt und
darüber hinaus weitere Arbeiten im Untertagebereich verrichtet hatte, wenn
für sie dort der Kläger insbesondere auch als Bohrhelfer, Ausbauhelfer sowie
als Laderfahrer tätig war. In diesem Zusammenhang kommt dann auch den
Erklärungen der Bergämter T-Stadt und S-Stadt Bedeutung zu, wenn danach die
durch L ausgeführten Arbeiten in der von der GmbH unterhaltenen Grube der
Aufsicht durch die Bergbehörde unterliegen. Dies belegt, dass insoweit
Arbeiten ausgeführt werden, die nach ihrer Eigenart nur von bergmännisch
ausgebildeten Arbeitskräften geleistet werden können und seitens der
ausführenden Unternehmen besondere bergmännische Kenntnisse und Erfahrungen
erfordern. Insoweit liegen also nicht nur Tätigkeiten anderer Gewerbezweige
vor, die gelegentlich unter Tage arbeiten, aber keine spezifisch
bergmännische Arbeiten wie etwa die Montage einer Maschine ausführen
(BTDrucks 2/2351, S. 4).
19
b) Der Kläger hatte diese vorgenannten
Tätigkeiten für L in dem der bergbehördlichen Aufsicht unterstellten Betrieb
der GmbH verrichtet und war damit i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 BergPDV in
einem solchen Betrieb beschäftigt.
20
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG
hat noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger tatsächlich, wie
im Verwaltungsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen, im
Januar 2005 und im Februar 2005 die angegebene Anzahl der Schichten unter
Tage abgeleistet hatte. Das FG wird die entsprechenden Feststellungen im
zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
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