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BFH-Beschluss vom 10.8.2010 (VI R 1/08) BStBl. 2010 II S. 1074
Arbeitslohnrückzahlung nur bei Rückfluss von Gütern in Geld oder Geldeswert
an den Arbeitgeber
1.
Wird eine Gehaltsforderung des Arbeitnehmers dadurch erfüllt, dass dieser
mit seinem Arbeitgeber einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung
abschließt und der Kaufpreis mit der fälligen Gehaltsforderung verrechnet
wird, stellt sich dann jedoch heraus, dass der Kaufvertrag zivilrechtlich
mangels Eintragung des Arbeitnehmers im Grundbuch nicht erfüllt wurde, kann
die Veräußerung der Eigentumswohnung durch den Arbeitgeber im Wege der
Zwangsversteigerung nicht als Arbeitslohnrückzahlung angesehen werden.
2.
Arbeitslohnrückzahlungen sind nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer an
den Arbeitgeber die Leistungen, die bei ihm als Lohnzahlungen zu
qualifizieren waren, zurückzahlt (Anschluss an BFH-Urteil vom 12. November
2009 VI R 20/07, BFHE 227, 435). Der Veranlassungszusammenhang zum
Arbeitsverhältnis wird durch den Abschluss des Kaufvertrages unterbrochen.
EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1.
Vorinstanz: Hessisches FG vom 13. November
2007 13 K 3176/06
Sachverhalt
I.
1
Streitig ist, ob der
aufgrund einer Zwangsversteigerung erfolgte Verkauf einer Eigentumswohnung,
an der zu keiner Zeit zivilrechtliches Eigentum begründet worden ist, zu
negativen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit führen kann.
2
Die Kläger und
Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war bis zum 31. Dezember 1997 als
Verkaufsleiter bei der A angestellt. Die A war aufgrund von
Zahlungsschwierigkeiten nicht in der Lage, die Gehaltsansprüche des Klägers
zu erfüllen. Der Kläger schloss daher am 13. Juni 1996 mit der A einen
notariellen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung ab, die auf einem im
Eigentum der A stehenden Grundstück errichtet werden sollte. Der Kaufvertrag
sah vor, dass die A die noch nicht erfüllten Gehaltsforderungen des Klägers
in Höhe von 45.716,35 DM im Jahr 1996 und 39.196,50 DM im Jahr 1997 mit der
Kaufpreissumme für die Eigentumswohnung verrechnen konnte. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ist von einer Verrechnung der
Gehaltsforderungen ausgegangen und hat in 1996 und 1997 eine Sachzuwendung
angenommen. Bei der Besteuerung dieser Jahre wurden entsprechende Einkünfte
aus nichtselbständiger Arbeit angesetzt.
3
Der Kläger wurde nicht in
das Grundbuch als Eigentümer eingetragen, da die finanzierende Bank der
Arbeitgeberin A eine Aufgabe ihrer Grundpfandrechte verweigerte. Er nutzte
jedoch die Eigentumswohnung und erklärte ab dem 30. Juni 1996 hieraus
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Infolge der Inanspruchnahme von
Fördergebietsabschreibungen ergab sich bis 2003 ein Verlust aus dem Objekt.
4
Im März 1999 fiel die A in
Insolvenz. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurde im Dezember 2003 auch die
von dem Kläger genutzte Eigentumswohnung von einem Dritten durch Zuschlag in
der Zwangsversteigerung erworben.
5
Die Kläger beantragten beim
FA eine Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2003. Zur
Begründung führten sie an, dass dem Kläger durch die Versteigerung der
Eigentumswohnung das wirtschaftliche Eigentum hieran entzogen worden sei.
Daher sei ihm im Jahr 2003 auch der damalige Arbeitslohn entzogen worden.
Dies führe zu negativen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, die
steuerlich zum Zeitpunkt des Verlustes des wirtschaftlichen Eigentums in
Ansatz zu bringen seien. Das FA lehnte eine Änderung des Bescheides ab. Die
Kläger wandten sich dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der
Klage.
6
Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage als unbegründet ab.
7
Mit der Revision rügen die
Kläger die unzutreffende Anwendung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG).
8
Die Kläger beantragen, das
Urteil des Hessischen FG vom 13. November 2007 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2003 vom 16. November 2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 26. September 2006 dahingehend abzuändern, dass
die Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag von insgesamt
25.432,92 EUR unter Anerkennung der negativen Einnahmen aus
nichtselbständiger Arbeit im Betrag von 55.935 EUR auf 2.724,27 EUR
herabgesetzt wird.
9
Das FA beantragt, die Klage
als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
10
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der
Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für
unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur
Stellungnahme.
III.
11
Die Revision der Kläger hat keinen Erfolg.
Die Entscheidungsgründe ergeben zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts;
die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Denn
der im Wege der Zwangsversteigerung erfolgte Verkauf der Eigentumswohnung
führt nicht zu Erwerbsaufwand bei den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit. Sie ist daher gemäß § 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen.
12
1. Das FG ist zwar unzutreffend davon
ausgegangen, dass mit dem Zuschlag an einen Dritten in der von dem über das
Vermögen der Arbeitgeberin eingesetzten Insolvenzverwalter betriebenen
Zwangsversteigerung der Verlust des wirtschaftlichen Eigentums verbunden
war. Denn im Streitfall ist schon kein wirtschaftliches Eigentum an der
Eigentumswohnung durch den Kläger begründet worden. Nach den Feststellungen
des FG ist der Kläger weder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen
worden noch war er in anderer Weise dinglich gesichert. Er konnte deshalb
den zivilrechtlichen Eigentümer, seinen Arbeitgeber bzw. den
Insolvenzverwalter, nicht auf Dauer von der Nutzung der Eigentumswohnung
ausschließen.
13
Die Entscheidung des FG stellt sich jedoch
aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO).
14
a) Sind Einnahmen nach § 8 Abs. 1 EStG alle
Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im
Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG
zufließen, so erfordert umgekehrt die Annahme negativer Einnahmen, dass
entsprechende Güter beim Steuerpflichtigen abfließen (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. September 2009 VI R 17/08, BFHE 226, 317,
BStBl II 2010, 299). Des Weiteren sind Arbeitslohnrückzahlungen nur
anzunehmen, wenn es sich um Rückflüsse an den Arbeitgeber handelt, sich der
Vorgang also als "actus contrarius" zur Lohnzahlung darstellt. Dies kommt
nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber die
Leistungen, die bei ihm als Lohnzahlungen zu qualifizieren waren,
zurückzahlt. Denn nur dann setzt sich der Veranlassungszusammenhang mit dem
Arbeitsverhältnis bei den zurückgezahlten Beträgen fort (BFH-Urteil vom 12.
November 2009 VI R 20/07, BFHE 227, 435).
15
b) Nach diesen Grundsätzen führt der
Verkauf der Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung nicht zu einer
Rückzahlung von Arbeitslohn.
16
Denn der Entzug der Nutzungsmöglichkeit an
der Eigentumswohnung durch den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren
steht im Streitfall in keinem rechtserheblichen Veranlassungszusammenhang
zum Arbeitsverhältnis. Es ist vielmehr lediglich der private
Vermögensbereich betroffen, der im Rahmen der Einkünfteermittlung indessen
keine Berücksichtigung findet. Arbeitslohnrückzahlungen sind nur anzunehmen,
wenn es sich um Rückflüsse an den Arbeitgeber handelt, sich der Vorgang also
als "actus contrarius" zur Lohnzahlung darstellt. Dies kommt nur dann in
Betracht, wenn der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber die Leistungen, die bei
ihm als Lohnzahlungen zu qualifizieren waren, zurückzahlt. Denn nur dann
setzt sich der Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bei den
zurückgezahlten Beträgen fort (BFH-Urteil in BFHE 227, 435). Davon ist im
Streitfall nicht auszugehen. Denn hier gründet die Veräußerung der
Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung auf dem rechtlich
selbständigen und zum Arbeitsverhältnis eigenständig hinzukommenden
Kaufvertrag über die Eigentumswohnung. Zivilrechtlich wurde dieser
Kaufvertrag mangels Eintragung des Klägers im Grundbuch als Eigentümer nicht
erfüllt. Der für den Kläger daraus resultierende Verlust hat seine Ursache
daher im Kaufvertrag, nicht im Arbeitsverhältnis. Ursache für den Entzug der
Nutzungsmöglichkeit an der Eigentumswohnung war letztlich, dass der Kläger
aus dem Kaufvertrag über die Eigentumswohnung vom 13. Juni 1996 keine
rechtlich geschützte, auf den Erwerb eines Rechts gerichtete Position
erworben hatte.
17
2. Gemäß § 126a FGO hatten die Kläger mit
Schreiben vom 17. Juni 2010 Gelegenheit erhalten, sich bis zum 20. Juli 2010
zu äußern. Daraufhin hat der Klägervertreter am 19. Juli 2010 mitgeteilt,
dass eine mündliche Verhandlung beantragt werde und eine schriftliche
Stellungnahme - falls diese erwünscht sei - bis zum 30. August 2010
nachgereicht werden könne. Innerhalb der ihnen gesetzten Frist zum 20. Juli
2010 hatten die Kläger damit ausreichend rechtliches Gehör.
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